Leben, um davon zu erzählen
Hängematte, die der leichte Wind aus den Plantagen wiegte. Nena Sánchez, seine Frau, verbesserte uns von der Küche aus, wenn wir Unsinn redeten oder etwas vergaßen, und lachte sich schlapp über uns. Am Ende wurde mir bei einem Versöhnungsspaziergang durch die leeren Straßen von Aracataca klar, wie weit mein Gemüt schon gesundet war, und ich hatte keinen Zweifel mehr daran, dass Laubsturm - abgelehnt oder nicht - genau das Buch war, das zu schreiben ich mir nach der Reise mit meiner Mutter vorgenommen hatte.
Durch diese Erfahrung ermutigt suchte ich Rafael Escalona in seinem Paradies in Valledupar auf, da ich noch nach den Wurzeln meiner Welt forschen wollte. Es war keine Überraschung für mich, denn was ich dort vorfand, was dort geschah, die Leute, die mir vorgestellt wurden, all das war so, als hätte ich es schon einmal erlebt, und zwar nicht in einem anderen Leben, sondern in eben diesem, das ich lebte. Später, auf einer meiner vielen Reisen, lernte ich auch Rafaels Vater, Oberst Clemente Escalona, kennen, der mich vom ersten Tag an durch seine würdevolle Haltung eines Patriarchen alter Schule beeindruckte. Er war schlank und gerade wie ein Schilfrohr, seine Haut war wettergegerbt und seine Knochen fest und seine Würde durch nichts zu erschüttern. Seit meinen jungen Jahren hatte mich das Thema beschäftigt, mit wie viel Sorge und Anstand meine Großeltern bis zum Ende ihres langen Lebens auf die Veteranenpension gewartet hatten. Als ich jedoch vier Jahre später in einem alten Hotel in Paris an dem Buch schrieb, schwebte mir dabei nicht mein Großvater vor, sondern Don Clemente Escalona, das physische Ebenbild des Obersts, der niemand hat, der ihm schreibt.
Von Rafael Escalona hörte ich, dass Manuel Zapata Olivella sich als Armenarzt in der Ortschaft La Paz, wenige Kilometer von Valledupar entfernt, niedergelassen hatte. Wir fuhren dorthin, kamen gegen Abend an, und etwas lag in der Luft, das einem das Atmen schwer machte. Zapata und Escalona klärten mich darüber auf, dass der Ort vor etwa zwanzig Tagen von der Polizei überfallen worden war, die in der Region Terror verbreitete, um die Menschen gefügig zu machen. Es war eine Nacht des Grauens gewesen. Man hatte willkürlich gemordet und fünfzehn Häuser in Brand gesteckt.
Wegen der eisernen Zensur hatten wir nichts davon erfahren. Doch ich hätte es mir auch so nicht vorstellen können. Juan López, der beste Musiker aus der Gegend, war nach der schwarzen Nacht auf Nimmerwiedersehen verschwunden. Wir baten Pablo, seinen jüngeren Bruder, für uns in seinem Haus zu singen, doch er erwiderte einfach und unbeirrbar:
»Ich werde nie wieder in meinem Leben singen.«
Und dann erfuhren wir, dass nicht nur er, sondern alle Musiker des Orts Akkordeons, Trommeln, Guacharacas weggepackt und aus Schmerz um die Toten nicht wieder gesungen hatten. Das war verständlich, und selbst Escalona, der vielen als Lehrer galt, und Zapata Olivella, der nun ihrer aller Arzt war, gelang es nicht, sie zum Singen zu bringen.
Da wir hartnäckig blieben, kamen auch die Nachbarn, um uns ihre Gründe darzulegen, doch tief im Herzen spürten sie, dass die Trauerzeit nicht noch länger dauern durfte. »Es ist, als wäre man mit den Toten gestorben«, sagte eine Frau, die eine rote Rose hinter dem Ohr trug. Die Leute stimmten ihr zu. Pablo López muss sich daraufhin berechtigt gefühlt haben, seinem Leid ein Ende zu machen, denn er ging ohne ein Wort ins Haus und kam mit dem Akkordeon wieder. Er sang wie noch nie zuvor, und während er sang, kamen nach und nach die anderen Musiker dazu. Jemand öffnete den Laden gegenüber und bot von sich aus etwas zu trinken an. Dann gingen, nach fast einem Monat Trauer, auch die anderen Türen weit auf, Lichter wurden angezündet, und wir alle sangen. Eine halbe Stunde später sang der ganze Ort. Auf der leeren Plaza tauchte der erste Betrunkene nach einem Monat auf und schmetterte aus voller Brust ein Lied von Escalona, das er auch Escalona widmete, weil dieser das Wunder bewirkt hatte, das Dorf wieder zum Leben zu erwecken.
In der übrigen Welt ging das Leben zum Glück weiter. Zwei Monate nach der Ablehnung des Manuskripts lernte ich Julio César Villegas kennen. Er hatte sich im Streit vom Losada Verlag getrennt, und der Verlag González Porto hatte ihn zum Repräsentanten für Kolumbien ernannt, wo er Lexika und wissenschaftliche sowie technische Bücher vertreiben und auf Raten verkaufen sollte. Villegas war ein überaus großer
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