Leben, um davon zu erzählen
Buenos Aires veröffentlicht werden könnte. Álvaro Mutis hatte das direkt von Julio César Villegas erfahren, dem neuen Direktor der Verlagsfiliale in Bogotá, einem ehemaligen peruanischen Minister, der erst seit kurzem im kolumbianischen Exil war.
Ich kann mich nicht erinnern, dass ich je tiefer aufgewühlt gewesen wäre. Losada war einer der besten Verlage in Buenos Aires, die nach dem spanischen Bürgerkrieg das enorme verlegerische Vakuum gefüllt hatten. Täglich versorgten uns diese Verleger mit interessanten und besonderen Neuerscheinungen, so dass wir kaum mit der Lektüre nachkamen. Die Vertreter erschienen pünktlich mit den bestellten Büchern, und wir empfingen sie wie Glücksboten. Allein der Gedanke, dass einer dieser Verlage Laubsturm herausbringen könnte, machte mich fast verrückt. Kaum hatte ich Mutis an einem mit dem richtigen Treibstoff aufgetankten Flugzeug verabschiedet, rannte ich in die Redaktion, um das Manuskript noch einmal gründlich durchzusehen.
In den folgenden Tagen widmete ich mich mit Leib und Seele der fiebrigen Überarbeitung eines Textes, der mir schon zu entgleiten gedroht hatte. Es waren nicht mehr als 120 mit doppeltem Zeilenabstand getippte Seiten, doch ich schliff, korrigierte, tauschte aus, bis ich schließlich nicht mehr wusste, ob der Roman dadurch besser oder schlechter geworden war. German und Alfonso lasen die problematischen Stellen noch einmal und waren so gutherzig, keine grundsätzlichen Einwände vorzubringen. In diesem Zustand innerer Unruhe sah ich, mit klopfendem Herzen, die Endfassung noch einmal durch und fasste dann ganz ruhig den Entschluss, das Buch nicht zu veröffentlichen. In der Zukunft sollte das zu einer Manie werden. Jedes Mal, wenn ich mit einem fertigen Buch zufrieden war, hatte ich das deprimierende Gefühl, dass ich nie mehr ein besseres würde schreiben können.
Zum Glück argwöhnte Álvaro Mutis den Grund für die Verzögerung, er kam nach Barranquilla geflogen und nahm das einzige saubere Original, ohne es mich noch ein letztes Mal lesen zu lassen, an sich, um es selbst nach Buenos Aires zu schicken. Es gab noch nicht die Möglichkeit, in einem Geschäft Fotokopien zu machen, und so blieb mir nur dieerste Rohfassung, die an den Rändern und zwischen den Zeilen mit verschiedenfarbigen Tinten korrigiert war, um Unklarheiten zu vermeiden. Ich warf das Manuskript in den Müll und fand in den zwei langen Monaten, die es dauerte, bis ich eine Antwort erhielt, keine Ruhe mehr.
Irgendwann einmal gaben sie mir bei El Heraldo einen Brief, der auf dem Schreibtisch des Chefredakteurs verkramt worden war. Der Briefkopf des Losada Verlags in Buenos Aires ließ mir das Herz gefrieren, aber ich war schamvoll genug, den Brief nicht gleich dort, sondern erst in meiner Kammer aufzureißen. Dank dieser Vorsicht wurde ich ohne Zeugen mit der knappen Nachricht konfrontiert, dass Laubsturm abgelehnt worden war. Ich musste den Urteilsspruch nicht ganz lesen, um von der brutalen Erkenntnis getroffen zu werden, dass dies der Augenblick meines Todes war.
Der Brief enthielt das Verdikt des obersten Richters Guillermo de Torre, der dem Lektorat vorstand, und stützte sich auf eine Reihe schlichter Argumente, aus denen die Sprache, die Emphase und die Selbstzufriedenheit eines Weißen, der aus Kastilien stammt, herauszuhören waren. Einziger Trost war eine überraschende Konzession am Ende: »Bemerkenswert sind die hervorragende Beobachtungsgabe des Autors und sein poetisches Gespür.« Noch heute überrascht mich jedoch, dass mir jenseits meiner Betroffenheit und Schmach sogar die schärfsten Einwände zutreffend erschienen.
Ich habe nie eine Abschrift von dem Brief gemacht und weiß auch nicht, wo er geblieben ist, nachdem er mehrere Monate unter meinen Freunden in Barranquilla weitergereicht wurde, die beim Versuch, mich zu trösten, alle möglichen balsamischen Gründe geltend machten. Jedenfalls war fünfzig Jahre später, als ich eine Kopie des Briefes als Dokument für diese Memoiren suchte, im Verlagshaus in Buenos Aires keine Spur davon zu finden. Ich weiß nicht mehr, ob das als Meldung veröffentlicht wurde, was ich nie beabsichtigt hatte. Ich weiß aber noch, dass ich damals ziemlich viel Zeit brauchte, um wieder Mut zu fassen, nachdem ich meinem Herzen Luft gemacht und einen wütenden Brief geschrieben hatte, der ohne meine Erlaubnis publiziert wurde. Diese Indiskretion schmerzte mich um so mehr, da ich letztendlich den Entschluss gefasst hatte,
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