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Leben, um davon zu erzählen

Leben, um davon zu erzählen

Titel: Leben, um davon zu erzählen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriel García Márquez
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das, was mir an dem Urteil von Nutzen sein konnte, aufzugreifen, nach eigenem Dafürhalten alles Verbesserbare zu verbessern und weiter voranzuschreiten.
    Am meisten Mut machten mir die Stellungnahmen von Germán Vargas, Alfonso Fuenmayor und Álvaro Cepeda. Alfonso traf ich in einem Gasthaus am Markt, einer Oase, die er gefunden hatte, um mitten im Menschengewühl zu lesen. Ich fragte ihn, ob ich meinen Roman so lassen sollte, wie er war, oder ob ich versuchen sollte, ihm eine neue Struktur zu geben, da ich den Eindruck hätte, dass er in der zweiten Hälfte an Spannung verlöre. Alfonso hörte mir mit einer gewissen Ungeduld zu und gab dann sein Urteil ab.
    »Schauen Sie mal, Maestro«, sagte er schließlich wie ein echter Maestro,» Guillermo de Torre mag sich für so Achtung gebietend halten, wie er will, aber was den zeitgenössischen Roman angeht, scheint er mir nicht auf dem letzten Stand zu sein.«
    Bei anderen müßigen Gesprächen in jenen Tagen tröstete er mich mit dem Präzedenzfall, dass Guillermo de Torre 1927 das Manuskript von Pablo Nerudas Aufenthalt auf Erden abgelehnt hatte. Fuenmayor meinte, dass es meinem Roman vielleicht besser ergangen wäre, wenn Jorge Luis Borges ihn gelesen hätte, allerdings wären auch die Verheerungen schlimmer gewesen, wenn er ihn ebenfalls abgelehnt hätte.
    »Also geben Sie endlich Ruhe«, schloss Alfonso. »Ihr Roman ist so gut, wie wir ihn gefunden haben, und Sie müssen jetzt nur eins tun: weiterschreiben.«
    Germán blieb seiner bedachtsamen An treu und tat mir den Gefallen, nicht zu übertreiben. Er meinte, der Roman sei wahrlich nicht so schlecht, um ihn auf einem Kontinent, wo diese Gattung in der Krise sei, nicht zu veröffentlichen. Er sei aber auch nicht so gut, um wegen der Ablehnung einen internationalen Skandal auszulösen, bei dem ein unbekannter Erstlingsautor nur verlieren könne. Álvaro Cepeda fasste das Urteil von Guillermo de Torre mit einer seiner blumigen Grabinschriften zusammen: »Die Spanier sind eben sehr ungeschliffen.« Als mir klar wurde, dass ich keine Reinschrift meines Romans hatte, ließ mich der Losada Verlag durch eine dritte oder vierte Person wissen, dass es bei ihnen nicht üblich sei, die Manuskripte zurückzusenden. Zum Glück hatte Julio César Villegas, bevor er das Manuskript nach Buenos Aires geschickt hatte, eine Kopie angefertigt und ließ mir die zukommen. Daraufhin überarbeitete ich den Text noch einmal und berücksichtigte dabei die letzten Anmerkungen meiner Freunde.
    Ich strich eine lange Passage, in der die Heldin vom Begoniengang aus einen dreitägigen Regenfall beobachtet, eine Episode, die ich später in lsabels Monolog beim Betrachten des Regens in Macondo umgewandelt habe. Ich strich einen überflüssigen Dialog des Großvaters mit Oberst Aureliano Buendía kurz vor dem Massaker beim Bananenstreik und noch weitere dreißig Seiten, die in Form und Inhalt die einheitliche Struktur des kurzen Romans durchbrachen. Fast zwanzig Jahre später halfen mir Teile dieser Fragmente, die ich schon verloren geglaubt hatte, im Laufe von Hundert Jahre Einsamkeit meine sehnsüchtigen Erinnerungen zu untermauern.
    Ich hatte den Schlag schon fast verwunden, als die Meldung veröffentlicht wurde, dass der Losada Verlag als kolumbianischen Roman El Cristo de espaldas von Eduarde Caballero Calderón an Stelle von Laubsturm angenommen hatte. Das war eine Fehlinformation beziehungsweise eine böswillig verdrehte Wahrheit, da es sich nicht um einen Wettbewerb gehandelt hatte, sondern um ein Programm des Losada Verlags, um mit kolumbianischen Autoren den kolumbianischen Markt zu erobern, und mein Roman nicht in Konkurrenz zu einem anderen gestanden hatte, sondern deshalb abgelehnt worden war, weil Guillermo de Torre ihn für nicht publizierbar hielt.
    Ich war stärker getroffen, als ich zugab, und nicht tapfer genug, das einfach zu ertragen, ohne mich nicht noch einmal selbst zu vergewissern. Also überfiel ich unangekündigt meinen ältesten Freund Luis Carmelo Correa auf der Bananenplantage in Sevilla, wenige Meilen von Cataca entfernt, wo er damals die Arbeitszeiten kontrollierte und als Steuerrevisor arbeitete. Zwei Tage lang rekapitulierten wir noch einmal - wie immer - unsere gemeinsame Kindheit. Sein Gedächtnis, seine Intuition und seine Offenheit offenbarten mir so Erstaunliches, dass ich es etwas mit der Angst bekam. Während wir redeten, reparierte er mit seinem Werkzeugkasten kleine Schäden im Haus, und ich lag in einer

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