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Leben und Meinungen des Herren Tristram Shandy

Titel: Leben und Meinungen des Herren Tristram Shandy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurence Sterne
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Phänomen wäre nicht eine Parenthese werth gewesen.
    Aber gerade das Gegentheil hievon war der Fall: Johann de la Casse war ein Mann von schönen Talenten, von fruchtbarer Einbildungskraft; und trotz all diesen großen natürlichen Vorzügen, die ihn mit seiner Galatea hätten vorwärtstreiben sollen, war es ihm rein unmöglich im Lauf eines ganzen Sommertags über 1½ Linien vorzurücken. Diese Unfähigkeit Seiner Eminenz entsprang aus einer eigenthümlichen Ansicht, von der er besessen war, – von der Ansicht nämlich: daß wenn nur immer ein Christ ein Buch schreibe (nicht zu seiner Privatunterhaltung nämlich, sondern) um es
bona fide
drucken zu lassen und herauszugeben, – so seien seine ersten Gedanken immer Versuchungen des Satans. – Dies sei der Stand der Sache bei gewöhnlichen Schriftstellern; wenn aber eine Persönlichkeit von ehrwürdigem Charakter und hohem Rang, sei es in der Kirche oder im Staat, Schriftsteller werde, – dann behauptete er, brächen in dem Augenblick, wo er die Feder zur Hand nehme, – alle Teufel der Hölle aus ihren Löchern, um ihn zu kitzeln. – Es sei ein wahrer Stichtag für sie; jeder Gedanke vom ersten bis zum letzten sei verfänglich; – so köstlich und gut er immer scheine, – es sei Alles gleich; – in welcher Form oder Farbe er auch vor die Einbildungskraft trete – es sei immer ein Streich, den Einer oder der Andere von jenen gegen den Mann richte, und vor dem man sich hüten müsse. – So, daß das Leben eines solchen Schriftstellers, wenn er auch ganz das Gegentheil wähne, nicht sowol ein Zustand der Composition als ein solcher des Kriegführens sei; und ob er in diesem Kampfe bestehe, das hänge wie bei jedem anderen Streiter auf Erden, – bei weitem nicht so sehr von der Höhe seines Geistes – als von seiner Widerstandskraft ab.
    Mein Vater fand ein hohes Vergnügen an dieser Theorie des Johann de la Casse, Erzbischofs von Benevent, und würde, glaube ich (wenn es ihn nicht in seinem Glaubensbekenntniß etwas beengt hätte) gern zehn der besten Acker von dem Shandyschen Gute hergegeben haben, wäre er der Urheber derselben gewesen. – In wie weit mein Vater überhaupt an den Teufel glaubte, wird man später sehen, wenn ich im Verlaufe des Werkes daran komme, mich über die religiösen Anschauungen meines Vaters auszusprechen: hier genüge, wenn ich sage, daß er, da er diese Ehre im wörtlichen Sinne der Lehre nicht für sich in Anspruch nehmen konnte – wenigstens die Allegorie derselben aufgriff, und häufig, besonders wenn seine Feder nicht recht vorwärts wollte, zu sagen pflegte. unter dem Schleier der parabolischen Vorstellung von Johann de la Casse sei ebensoviel richtige Anschauung, Wahrheit und Kenntniß verborgen, – wie in irgend einer poetischen Fiction oder mystischen Erzählung aus dem Alterthum. – Das Vorurtheil der Erziehung, pflegte er zu sagen, ist der wahre Teufel, – und die vielen Vorurtheile, die wir in unserer Muttermilch einsaugen, – das sind alle möglichen Teufel. – Sie besuchen uns, Bruder Toby, bei allen unseren Nachtstudien und Forschungen; und wenn ein Mann thöricht genug wäre, Alles geduldig anzunehmen, was sie ihm einflüstern – was würde aus seinem Buche werden? Nichts – pflegt er hinzuzusetzen und warf seine Feder zornig weg; – nichts als ein Mischmasch von dem Ammengeplapper und dem Unsinn der alten Weiber (beiderlei Geschlechts) des ganzen Lands.
    Dies ist die beste Erklärung, die ich von dem langsamen Fortschritt meines Vaters in seiner Tristrapädia geben kann. Er war wie gesagt etwas über drei Jahre damit beschäftigt, dabei unermüdlich an der Arbeit und hatte schließlich nach seiner eigenen Rechnung kaum die Hälfte seines Werks vollendet. Leider wurde ich diese ganze Zeit über von ihm total vernachlässigt und blieb lediglich meiner Mutter überlassen; und was fast ebenso schlimm war, gerade durch den Vorzug wurde der erste Theil des Werks, auf den mein Vater die meiste Mühe verwendet hatte, vollständig nutzlos; – tagtäglich wurden eine oder zwei Seiten unbrauchbar.
    Gewiß ist es als Strafe für den Stolz menschlicher Weisheit so bestimmt, daß die Weisesten von uns sich so selbst übertölpeln und beständig über ihr Ziel hinausschießen. während sie heftigst bemüht sind es zu verfolgen.
    Kurz mein Vater war so ausdauernd in seinen Widerstandshandlungen, oder mit anderen Worten, – er rückte so langsam in seinem Werke vor, und ich begann so rasch zu wachsen und vorwärts zu

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