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Leben und Meinungen des Herren Tristram Shandy

Titel: Leben und Meinungen des Herren Tristram Shandy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurence Sterne
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der Wahrheit so wenig gewinnsüchtig, daß wenn er einen Schatz im Grabe des h. Optat gefunden hätte, dies ihn nicht halb so reich gemacht haben würde. Es war ein so erfolgreicher Besuch, als jemals bei einem Todten stattfand; und sein Gemüth war über Alles, was dabei vorgegangen – so erfreut, – daß er sofort beschloß noch einen Tag in Auxerre zuzubringen.
    Ich will den Rest dieser guten Herren morgen sehen, sagte mein Vater, als wir über den Markt gingen. – Und während du diesen Besuch machst, Bruder Shandy, sagte mein Onkel Toby, will ich mit dem Corporal auf den Wall steigen.

229. Kapitel.
    Ich befinde mich jetzt in der sonderbarsten Verwickelung: – im letzten Kapitel machte ich, wenigstens soweit ich damit durch Auxerre kam, zwei verschiedene Reisen auf einmal, und zwar mit dem gleichen Federzug; – denn auf der Reise, die ich eben jetzt beschreibe, bin ich ganz durch Auxerre gekommen, und auf der, welche ich künftig beschreiben werde, zur Hälfte. – In Allem wird die Vollkommenheit nur bis zu einem gewissen Grade erreicht; weil ich aber noch etwas darüber hinauszielte, habe ich mich in eine Lage gebracht, in welcher sich vor mir noch kein Reisender befand; denn in diesem Augenblick gehe ich mit meinem Vater und meinem Onkel Toby auf unserem Rückweg zum Mittagessen über den Marktplatz von Auxerre; – in demselben Augenblicke fahre ich aber auch mit einer in tausend Stücke zerbrochenen Postchaise nach Lyon hinein; – und überdies befinde ich mich in diesem Moment in einem hübschen von Pringello [Es ist dies derselbe berühmte spanische Architekt D. Pringello, dessen mein Vetter Antonius in einer Anmerkung zu der Erzählung, die seinen Namen trägt, so rühmend Erwähnung thut. Siehe S. 129, kleine Ausgabe.] erbauten Pavillon an den Ufern der Garonne, welchen Herr Stigniac an mich vermiethet hat, und wo ich nun sitze und alle diese Dinge zusammenschreibe.
    Ich will mich nun sammeln und dann meine Reise fortsetzen.

230. Kapitel.
    Es ist mir sehr lieb, sagte ich, als ich die Rechnung so bei mir überschlug, während ich nach Lyon hineinspazierte – denn meine Chaise lag ganz durcheinander mit meinem Gepäck auf einem Karren, der sich langsam vor mir herbewegte; – es ist mir sehr lieb, daß sie in Stücke gegangen ist, denn jetzt kann ich auf dem Wasser direct nach Avignon gehen, was mich 120 Meilen auf meiner Reise vorwärts bringt und mich keine sieben Livres kostet; – und von da, fuhr ich in meiner Rechnung fort, kann ich ein Paar Maulthiere oder Esel miethen, wenn ich mag (denn es kennt mich ja dort Niemand) und die Ebene von Languedoc fast für nichts durchreisen: – ich gewinne somit durch meinen Unfall vierhundert Livres, und Vergnügen, – das doppelt so viel werth ist. Mit welcher Geschwindigkeit, fuhr ich fort, indem ich die Hände zusammenschlug, werde ich die rasche Rhone hinabfahren, mit Vivares zur Rechten und dem Dauphiné zur Linken, wobei ich die alten Städte Vienne, Valence und Vivières kaum zu Gesichte bekommen werde! Welch' eine Flamme wird es in der alten Lampe wieder anzünden, wenn ich am Fuße der Hermitage und Côte-Roti vorbeischieße und mir eine röthliche Traube abbreche! Wie frisch wird das Blut pulsiren, wenn ich an den Ufern bald da bald dort romantische Burgen erblicke, aus denen ehedem edle Ritter die Unglücklichen befreiten; wenn ich schwindelnd die Felsen, die Berge, die Wasserfälle und all das Getümmel erblicke, das die Natur mit ihren großen Werken um sich her bildet!
    Als ich so dahin schlenderte, kam mir meine Chaise, deren Trümmer mir Anfangs ziemlich stattlich erschienen waren, allmählich kleiner und elender vor; die Frische der Malerei war dahin, – die Vergoldung hatte ihren Glanz verloren, – das Ganze war in meinen Augen jetzt so ärmlich! – so elend! – so verächtlich! und mit einem Wort um so viel schlechter als die der Aebtissin von Andouillets, – daß ich eben den Mund öffnen wollte, um sie zum Teufel zu wünschen, – als ein munterer Wagenflicker hurtig über die Straße herüberlief und fragte, ob Monsieur seine Chaise wieder hergestellt haben wolle. – Nein, nein! sagte ich kopfschüttelnd. – Möchte sie Monsieur vielleicht verkaufen? fragte der Wagner wieder. – Sehr gerne, sagte ich; – das Eisen ist vierzig Livre werth – das Glas ebenfalls vierzig – und das Leder mögen Sie umsonst haben.
    Welch' eine Fundgrube des Reichthums war diese Postchaise für mich, sagte ich, als er mir das Geld

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