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Leben und Meinungen des Herren Tristram Shandy

Titel: Leben und Meinungen des Herren Tristram Shandy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurence Sterne
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Vortheil (sonst wäre sie gewiß besiegt worden), daß ihr aus einem im Grunde persönlichen Aerger eine kleine Verstärkung erwuchs, die sie aufrecht erhielt und sie in den Stand setzte, die Sache mit meinem Vater mit so gleichem Vortheil auszufechten – daß beide ein
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anstimmen konnten. Mit einem Wort, meine Mutter sollte die alte Frau haben – der Geburtshelfer aber sollte mit meinem Vater und meinem Onkel Toby Shandy im hinteren Zimmer eine Flasche Wein trinken dürfen – und dafür 5 Guineen erhalten.
    Ehe ich dieses Kapitel verlasse, muß ich um die Erlaubniß bitten, bei meiner schönen Leserin in einer Beziehung vorbauen zu dürfen, und sie ersuchen: es nicht, weil ein paar unbedachte Worte in der Richtung entfallen sind, für ausgemacht anzunehmen, daß ich ein verheirateter Mann sei. Ich gebe zu, daß die zärtliche Benennung, »meine liebe, liebe Jenny« – sowie einige andere Proben ehelicher Kenntnisse, die da und dort eingeflossen sind, den ehrlichsten Richter von der Welt zu einer solchen Entscheidung gegen mich veranlassen könnten. – Alles was ich in diesem Falle beanspruche, Madame, ist strenge Gerechtigkeit; ich bitte diese gegen mich ebenso walten zu lassen wie gegen sich selbst, und keinem solchen Eindruck von mir Statt zu geben, bis Sie bessere Beweise, als wie ich versichert bin, dermalen gegen mich aufgebracht werden können, besitzen. – Nicht daß ich so eitel oder unvernünftig sein möchte, Madame, um zu wünschen, daß sie meine liebe, liebe Jenny deshalb für eine von mir ausgehaltene Geliebte halten sollten; – o nein! – das würde meinem Charakter nach dem anderen Extrem hin schmeicheln und ihm einen Anstrich von Freiheit beilegen, auf den er vielleicht durchaus keinen Anspruch machen darf. Was ich allein erkämpfen möchte, ist, daß es Ihnen oder dem scharfsinnigsten Geist auf der Welt einige Bände hiedurch durchaus unmöglich würde, herauszubringen, wie sich die Sache eigentlich verhält. – Es wäre ja nicht unmöglich, daß meine liebe, liebe Jenny trotz der Zärtlichkeit des Ausdrucks mein Kind wäre. – Bedenken Sie – ich wurde im Jahr achtzehen geboren – auch wäre es keine so unnatürliche oder ausschweifende Annahme, daß meine liebe Jenny meine Freundin wäre! – Freundin! – Meine Freundin. – Gewiß, Madame, es kann recht wohl eine Freundschaft zwischen den beiden Geschlechtern bestehen und eingehalten werden, auch ohne – Pfui, Herr Shandy! – Auch ohne irgend eine Beziehung, Madame, außer jenem zärtlichen und süßen Gefühl, welches sich immer da mit der Freundschaft vermischt, wo die Freunde von verschiedenem Geschlechte sind. Studiren Sie nur einmal die reinen und empfindsamen Theile der besten französischen Romane, Madame – und Sie werden staunen, mit welcher Mannichfaltigkeit keuscher Ausdrücke, das köstliche Gefühl, von dem ich zu sprechen die Ehre habe, dort ausgestattet ist.

19. Kapitel.
    Ich wollte es eher unternehmen, die schwierigsten Probleme der Geometrie aufzulösen, als zu erklären, wie ein Mann mit dem gesunden Menschenverstand meines Vaters – der wie der Leser bemerkt haben muß, in der Philosophie zu Hause und scharfsinnig – auch in seinem politischen Raisonnement klug – und in der Polemik (wie der Leser finden wird) keineswegs unkundig war – eine so außer dem gewöhnlichen Geleise liegende Idee in seinen Kopf hinein kriegen konnte, – daß ich fürchte, wenn ich den Leser damit bekannt mache, dieser, wenn er im mindesten ein cholerisches Temperament hat, das Buch sofort bei Seite wirft; oder wenn er sanguinischer Natur ist, herzlich darüber lacht – oder aber wenn er von ernstem und strengem Wesen ist, sie auf den ersten Blick als ausschweifend und phantastisch verdammt. Die Sache betraf aber die Wahl und Beilegung des Vornamens, wovon seiner Ansicht nach weit mehr abhängen sollte, als oberflächliche Gemüther zu begreifen im Stande wären.
    Seine Ansicht in dieser Richtung ging dahin, daß gute oder böse Namen, wie er sie nannte, auf unsern Charakter und Lebenswandel unwillkürlich eine wunderbare Zauberkraft übten, der man nicht widerstehen könne.
    Der Held des Cervantes hätte sich nicht ernster und eifriger für diese Idee ereifern – noch fester daran glauben können – noch mehr über die Macht der Necromantie, seine Thaten herabzuwürdigen – oder die Macht von Dulcinea's Namen einen Glanz auf dieselben zu werfen, zu sagen gewußt, als mein Vater über die Namen Trismegistus und

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