Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Leben und Meinungen des Herren Tristram Shandy

Titel: Leben und Meinungen des Herren Tristram Shandy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurence Sterne
Vom Netzwerk:
Krankheit zu schildern – ohne zugleich das Heilmittel anzugeben.
    Wenn ich ein unumschränkter Fürst wäre, pflegte er zu sagen, wobei er sich aus seinem Armstuhl erhob, und seine Hosen mit beiden Händen hinaufzog, würde ich an allen Zugängen zu meiner Hauptstadt geschickte Richter aufstellen, welche einen jeden Narren, der des Weges käme, über seine Geschäfte vernehmen müßten; – und wenn aus einem ehrlichen und offenen Verhör hervorginge, daß kein genügender Grund vorhanden sei, um seine Heimat zu verlassen und mit Sack und Pack, Weib und Kind, Pächterssöhnen u. s. w. im Gefolge daher zu kommen, so müßten sie alle als Vagabunden von Constabler zu Constabler bis an den Ort ihrer gesetzlichen Wohnstätte zurücktransportirt werden. Durch diese Vorkehrung würde ich bewirken, daß meine Hauptstadt nicht unter ihrem eigenen Gewichte schwankte, – daß der Kopf nicht zu groß für den Körper würde, – daß die Extremitäten, welche jetzt öde liegen und ausgeschlossen sind, ihren natürlichen Antheil an der Nahrung, und damit ihre natürliche Kraft und Schönheit wieder gewinnen würden; – ich würde bewirken, daß die Wiesen und Felder meiner Besitzungen lachen und singen sollten; – daß wieder gesellige Freude und Gastfreundschaft blühen sollte; – und daß dadurch so viel Macht und Einfluß in die Hände des Mittelstandes meines Reiches käme, damit das, was mein Adel jenen nimmt, wieder abgeglichen würde.
    »Wie kommt es, pflegte er in einiger Aufregung zu fragen, wahrend er im Zimmer auf und abging, daß es in so vielen herrlichen Provinzen Frankreichs so wenig Schlösser und Edelsitze gibt? Woher kommt es, daß die wenigen noch vorhandenen
Châteaux
so zerfallen – so öde und leer, in einem so traurigen Zustande des Verkommens sind? – Deshalb, mein Herr, erwiderte er dann, weil in diesem Reiche Niemand ein Interesse an dem Land und Landleben hat; – weil das kleine Interesse, das dort überhaupt Einer besitzt, sich am Hofe, im Blick des großen Monarchen concentrirt; weil von dem Sonnenschein dieses Antlitzes oder dem Gewölk, das darüber geht, jeder Franzose lebt oder stirbt.«
    Ein weiterer politischer Grund, der meinen Vater so sehr antrieb, gegen den geringsten Unfall beim Wochenbette meiner Mutter auf dem Lande, auf der Hut zu sein – war, daß jedes derartige schlimme Beispiel unfehlbar die ohnehin schon zu große Macht der schwächeren Gefäße des Landadels in seiner und in höheren Stellungen (nämlich der Frauen) noch vermehren mußte; was in Anbetracht der vielen anderen usurpirten Rechte, welche sich dieser Theil der Constitution täglich anmaßte, schließlich dies monarchische System des, vom Anfang der Dinge an durch Gott eingesetzten Hausregiments gefährden mußte.
    In dieser Beziehung war er ganz der Ansicht des Sir Robert Filmer, daß die Grundzüge und Einrichtungen der größten Monarchien des Morgenlands ursprünglich alle dem wundervollen Muster und Urbild dieser väterlichen und häuslichen Gewalt entnommen seien. – Zwar seien dieselben, fuhr er fort, seit einem Jahrhundert und länger allmählich in eine gemischte Regierungsweise ausgeartet, aber diese letztere Form, möge dieselbe auch bei großen Vereinigungen des Menschengeschlechts wünschenswerth sein, sei bei kleinen sehr lästig und bringe, so viel er bis jetzt gesehen habe, selten etwas Anderes als Verwirrung und Unheil zu Stande.
    Aus allen diesen geheimen und offenen Gründen zusammen – war mein Vater entschieden für Beiziehung eines Geburtshelfers, meine Mutter aber ebenso entschieden dagegen. Mein Vater bat und drängte, sie möchte doch für dies Mal ihr Vorrecht in dieser Angelegenheit fallen und ihn für sie wählen lassen; meine Mutter dagegen bestand fest auf ihrem Recht für sich selbst zu wählen – und sich keines Sterblichen Beistandes bedienen zu müssen, als dessen der alten Frau. – Was konnte mein Vater weiter in der Sache thun? Er war mit seinem Witz zu Ende, – besprach es mit ihr nach allen Richtungen – setzte seine Gründe in das beste Licht – überlegte die Sache mit ihr als Christ – als Heide – als Gatte – als Vater – als Patriot – als Mann. Meine Mutter erwiderte auf Alles nur als Weib; es war dies eine etwas harte Arbeit für sie – denn da sie die Sache nicht von so verschiedenen Standpunkten aus verfechten konnte – waren die Streitkräfte nicht gleich vertheilt – es war wie 7 zu 1. – Was konnte meine Mutter da thun? Sie hatte den

Weitere Kostenlose Bücher