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Leben und Schicksal

Leben und Schicksal

Titel: Leben und Schicksal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wassili Grossman
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funkelnd, mit schnellen Bewegungen im trockenen Gestrüpp raschelnd, durcheinanderwimmelten.
    Voller Wut, Ekel und Angst begann er, mit dem Gewehr auf die in der Dunkelheit aufflammenden Lichtblitze und die rasch über die Abhänge der Schlucht huschenden Schatten zu schießen.
    Zwanzig, dreißig Meter von ihm entfernt tauchten die Deutschen auf dem Kamm der Schlucht auf. Kurz nacheinander krachten Handgranaten und erschütterten Luft und Erde – der deutsche Stoßtrupp strebte auf die Öffnung des Stollens zu.
    Schatten von Menschen huschten durch das Dunkel, Mündungsfeuer blitzten auf, hier wurde ein Schrei ausgestoßen, dort erstarb ein Stöhnen. Es war, als kochte ein großer schwarzer Kessel, und Krymow versank ganz in diesem Brodeln und Sieden, mit Körper und Seele, er konnte nicht mehr denken und fühlen, wie er früher gedacht und gefühlt hatte. Bald glaubte er, die Bewegung des Strudels zu steuern, der ihn ergriffen hatte, dann erfasste ihn wieder die Angst vor dem Tod, und es war ihm, als flösse ihm die dichte, klebrige Dunkelheit in die Augen und Nasenlöcher wie Teer, als gäbe es schon keine Luft mehr zu atmen und keinen Sternenhimmel mehr über ihm, als gäbe es nur die Finsternis, die Schlucht und diese grauenvollen Wesen, die im Gestrüpp raschelten.
    Und obgleich überall um ihn nur Chaos und Verwirrung herrschten, wurde in ihm ein Gefühl immer stärker, hell und klar wie das Tageslicht: das Gefühl der Verbundenheit mit den Männern, die neben ihm die Böschung entlangkrochen, das Gefühl der eigenen Kraft, die sich mit der Kraft der neben ihm Kämpfenden vereinte, das Gefühl der Freude, dass sich da irgendwo neben ihm Rodimzew befand.
    Dieses erstaunliche Gefühl, erwacht im nächtlichen Gefecht, wo man auf drei Schritte nicht unterscheiden konnte, wer neben einem war – ein Freund oder der Feind, bereit, einen zu töten –, verband sich mit etwas anderem, nicht minder Erstaunlichem und Unerklärlichem: dem Gespür für den allgemeinen Gefechtsverlauf, das den Kämpfern die Möglichkeit gab, das wahre Kräfteverhältnis im Kampf zu beurteilen und den Ablauf des Kampfes vorauszuahnen.
    11
    Die Ahnung vom Gesamtausgang der Schlacht, die ein Mensch hat, von den anderen abgesondert durch Rauch und Feuer, vom Kampf betäubt, erweist sich oft als zutreffender als die Beurteilung des Gefechtsausgangs, zu der man auf der Generalstabskarte gekommen ist.
    Am Wendepunkt des Gefechts geschieht manchmal eine überraschende Veränderung, wenn der angreifende Soldat, der sein Ziel schon erreicht zu haben glaubt, sich bestürzt umblickt und die Kameraden nicht mehr sieht, mit denen er brüderlich vereint das Ziel in Angriff genommen hat, der Gegner aber, den er die ganze Zeit über als vereinzelt, schwach und dumm wahrgenommen hat, nun zur Masse und deshalb unüberwindlich wird. An diesem Wendepunkt des Gefechts – klar erkennbar für die, die ihn überleben, geheimnisvoll und unerklärlich für jene, die versuchen, ihn von außen vorauszuahnen und zu verstehen –, an diesem Wendepunkt vollzieht sich eine seelische Veränderung in der Wahrnehmung der Wirklichkeit: Das kühne, überlegene »Wir« verwandelt sich in das zaghafte, zerbrechliche »Ich«, und der glücklose Gegner, den man als vereinzeltes Jagdziel wahrgenommen hat, verwandelt sich in das erschreckende, bedrohlich zusammengeballte »Sie«.
    Vorher hatte der – sich erfolgreich vorwärts kämpfende – Angreifer alles Kampfgeschehen als Widerstand im Einzelnen aufgefasst: Eine Geschossexplosion … ein Feuerstoß aus dem Maschinengewehr … da ist er, ja dieser, hinter der Deckung schießt er, jetzt rennt er, er kann nicht anders als rennen, denn er ist ja allein, allein, weil er von jenem vereinzelten Geschütz, von diesem vereinzelten Maschinengewehr, von seinem ebenfalls allein schießenden Kampfgefährten abgeschnitten wurde; ich aber – das sind wir, ich – das ist die ganze riesige, zum Angriff schreitende Infanterie, ich – das ist die mich unterstützende Artillerie, ich – das sind die mich unterstützenden Panzer, ich – das ist die Leuchtkugel, die unseren gemeinsamen Gefechtsschauplatz beleuchtet. Und plötzlich steht dieses Ich allein da, und alles, was vereinzelt und deshalb schwach gewesen war, schließt sich zur furchtbaren Einheit des feindlichen Gewehr-, Maschinengewehr-, Artilleriefeuers zusammen, und ich habe schon keine Kraft mehr, die mir helfen könnte, diese Einheit zu überwinden. Die Rettung liegt in meiner

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