Lebendig und begraben
schwarze Büstenhalter und Pumps, die so hohe Absätze hatten, dass es mich ziemlich beeindruckte, wie sie es schafften, ihr Gleichgewicht zu bewahren und nicht kopfüber umzukippen.
Auf der Hauptbühne, einem flachen Halbmond mit Messinggeländer, wurde einem verlegen aussehenden jungen Kerl mit schlechter Haut im hellen Scheinwerferlicht von einer verführerischen dunkelhäutigen Frau ein »Bühnentanz« dargeboten, der aus ein paar akrobatischen Übungen bestand, an die sich kein Yogameister heranwagen würde.
Eine Kollektion riesiger, »künstlerischer« Fotografien sorgfältig ausgewählter weiblicher Körperteile schmückte die Wände entlang der Treppe. Oben ging es an der Zigarren-Bar und einer Reihe von »Privaträumen« vorbei, die mit roten Samtvorhängen abgehängt waren, welche die Wände bildeten. Ich fand den »VIP«-Raum, wie er den roten Neonbuchstaben an der Tür zufolge hieß. Eine üppig proportionierte Frau mit Hütchen auf ihren Brustwarzen hielt die Tür für mich auf.
Hier war die Musik etwas gedämpfter. Justin Timberlake sang davon, dass er es gern wieder richtig sexy hätte, was zu Katy Perry überleitete, die gestand, ein Mädchen geküsst und es genossen zu haben. An den Wänden waren weiße Vorhänge drapiert, die von unten mit Scheinwerfern violettangestrahlt wurden. Hier saß eine etwas hochkarätigere Klientel in Sitzinseln, die mit hellbraunem Wildleder bezogen und zur Bühne hin ausgerichtet waren. Es gab noch mehr knapp bekleidete Liebesdienerinnen, die mit Tabletts voller Drinks herumstapften. Eine brasilianisch aussehende Schönheit vollführte einen Lapdance für einen korpulenten Geschäftsmann aus Nahost.
Der Kerl, nach dem ich Ausschau hielt, saß in einer dieser Sitzinseln. Er wurde von zwei bulligen Bodyguards flankiert. Beide trugen billige schwarze Lederjacketts und hatten die Größe von Linebackern beim Football. Der eine hatte einen Bürstenhaarschnitt, der andre trug einen Pony à la Julius Cäsar. Man konnte schon aus einer Meile Abstand erkennen, dass es Russen waren.
Der Kerl selbst war groß und dünn und hatte einen teigigen Teint nebst ungleichmäßigem Ziegenbart. Er trug ein affiges Jackett aus schwarzem Samt mit schmalem, perlenbesticktem Revers, das selbst an Liberace tuntig ausgesehen hätte, darunter ein schwarzes Hemd mit winzigem Kragen und einen schmalen, schwarzen Schlips. Er trank aus einem Glas mit einer braunen Flüssigkeit und wurde von fünf oder sechs ebenso ungepflegt wirkenden Typen seines Alters umringt, die um ihn herumscharwenzelten, Kurze kippten, den Unterhaltungsdamen schöne Augen machten, zu laut lachten und sich ansonsten danebenbenahmen.
Arkady Nawrozow sah aus wie vierzehn, obwohl er fast zwanzig war. Selbst wenn man nicht wusste, dass sein Vater, Roman Nawrozow, geradezu obszön reich war, konnte man das an dem Benehmen des Jungen erkennen.
Angeblich belief sich Roman Nawrozows Vermögen auf über fünfundzwanzig Milliarden Dollar. Er war ein Exilant aus Russland, wo er sein Vermögen als einer der frischgebackenen Oligarchen unter Jelzin angehäuft hatte, indem erein paar staatliche Öl- und Gasfirmen unter seine Kontrolle gebracht und später in seinen Privatbesitz überführt hatte. Als Wladimir Putin an die Macht kam, steckte er Nawrozow unter dem Vorwurf der Korruption ins Gefängnis.
Er hatte fünf Jahre im berüchtigten Gefängnis Kopeisk abgesessen.
Aber er musste heimlich irgendeinen Handel mit Putin abgeschlossen haben, weil er ohne Aufsehen aus dem Gefängnis entlassen wurde und mit einem Großteil seines Vermögens ins Exil gehen konnte. Er hatte Häuser in Moskau, London, New York, Paris, Monaco, St. Barr und so weiter. Vermutlich hatte er selbst schon den Überblick verloren. In West-London besaß er einen Fußballverein. Seine Jacht, die größte und teuerste der Welt, lag normalerweise an der französischen Riviera vor Anker und war mit einem französischen Raketenabwehrsystem ausgestattet.
Denn Roman Nawrozow lebte in Angst. Er hatte zwei öffentlich bekannt gewordene Mordanschläge und vermutlich auch noch zahllose weitere überlebt, was er seiner über fünfzig Mann starken Armee von Leibwächtern zu verdanken hatte. Er hatte den Fehler begangen, sich gegen Putin und dessen »Kleptokratie« auszusprechen; Putin war da anscheinend etwas empfindlich.
Voriges Jahr war sein einziger Sohn Arkady aus der Schweiz hinausgeworfen worden, weil er im Beau-Rivage-Palasthotel in Lausanne ein sechzehnjähriges
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