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Lebendig und begraben

Lebendig und begraben

Titel: Lebendig und begraben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Finder Joseph
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Er trug nur selten eine Waffe, und ich hatte meine abgegeben.
    Seine Bodyguards waren im Flur direkt neben der Tür in Stellung gegangen, die in gegenseitigem Einvernehmen offen geblieben war. Ich war davon überzeugt, dass sie darauf vorbereitet waren, ins Zimmer zu stürmen, wenn ihr Boss auch nur husten sollte.
    Er antwortete, ohne mich eines Blickes zu würdigen. »Sie sagen, Sie haben meinen Sohn. Vielleicht haben Sie ihn, vielleicht auch nicht. Auf jeden Fall haben wir jetzt Sie.« Er zuckte mit den Schultern, sehr sachlich und beiläufig. »Jetzt haben wir alle Hebel, die wir brauchen.« Er grinste. »Wie Sie sehen, Sie haben diese Geschichte nicht sehr geschickt eingefädelt.«
    »Sehen Sie das Gebäude da drüben?«, fragte ich.
    Direkt auf der anderen Straßenseite ragte wie ein riesiger, glänzender, schwarzer Monolith der Trump Tower empor.
    »Ein schönes Hotel, das Trump Tower«, sagte Nawrozow. »Ich wollte gern in Mr. Trumps SoHo-Projekt investieren, aber Ihre Regierung hat mich daran gehindert.«
    »Und können Sie jetzt diese Reihe von Räumen erkennen?«
    Ich zeigte wieder auf die andere Seite, diesmal zu einer Reihe abgedunkelter Fenster. Es waren Büros, keine Hotelzimmer, obwohl Nawrozow das wahrscheinlich nicht wusste.
    Dann hob ich meine Hand, als würde ich winken, und ein einzelnes Fenster in der langen Reihe wurde hell.
    »Hallo«, sagte ich. »Wir sind genau hier.«
    Ich hob meine Hand wieder, und das Licht erlosch.
    »Mein Freund da drüben ist ein Weltklasse-Scharfschütze«, sagte ich.
    Nawrozow bewegte sich auf eine Seite, um aus dem Bereich herauszukommen, den er wahrscheinlich für das Schussfeld hielt.
    »Ein Kumpel aus der Army?«
    »Eigentlich nicht. Er stammt aus Neufundland. Wussten Sie, dass einige der besten Scharfschützen der Welt Kanadier sind?«
    »Schon möglich, aber auf diese Distanz?«
    »Mein kanadischer Freund hält den Rekord für den weitesten bestätigten Scharfschützentreffer unter Gefechtsbedingungen. Er hat in Afghanistan einen Taliban aus anderthalb Meilen Entfernung getötet. Was meinen Sie, sind wir mehr als eine Dreiviertelmeile vom Trump Tower entfernt?«
    Er lächelte gequält.
    »Sind wir großzügig und sagen einhundertzwanzig Meter. Genauso gut könnten Sie sich eine Zielscheibe auf ihre Stirn kleben. Für meinen kanadischen Freund sind Sie ein so großes, fettes Ziel, dass es noch nicht mal Spaß macht.«
    Sein Lächeln verschwand.
    »Er benutzt ein amerikanisches Tac-50 Scharfschützengewehr aus Phoenix. Und Kaliber-50-Munition aus Nebraska. Das ist eine großartige Munition mit ultra-langgezogener Spitze und flacher Flugbahn.«
    »Was soll das?«, blaffte er. »Sie verschwenden meine Zeit.«
    »In der Sekunde, in der sich mir einer Ihrer Männer nähert, wird Sie mein Freund von der anderen Straßenseite augenblicklich und ohne Zögern erledigen. Wussten Sie, dass es von diesem Raum aus Zugänge in die beiden angrenzenden Zimmer gibt? Die Verbindungstüren sind unverschlossen. Die Hoteldirektion hat sich wirklich sehr viel Mühe gegeben, ein paar alte Studienkollegen, die hier in der Stadt ihr Ehemaligentreffen abhalten wollen, vernünftig unterzubringen.«
    Er glotzte mich an. Seine Augenlider sanken herab.
    »Also, um Ihre Frage zu beantworten – wie war das noch mal? Ob ich vertrauensselig bin?«, fragte ich. »Nein, nicht allzu sehr.«
    Überraschenderweise lachte Nawrozow. »Gut gemacht, Mr. Heller.«
    »Danke.«
    »Haben Sie schon mal O’Henry gelesen?«
    »Ist schon eine Weile her.«
    »O’Henry war in der Sowjetunion sehr populär, als ich ein Kind gewesen bin. Meine Lieblingsgeschichte war ›Die Entführung von Häuptling Rothaut‹.«
    »Und ich dachte, wir wären hier, um über Ihren Sohn zu sprechen.«
    »Das machen wir auch. In O’Henrys Geschichte wird der Sohn eines reichen Mannes entführt, um ein Lösegeld zu erpressen. Aber der Junge ist so eine Plage, dass die Entführer ihn nicht ertragen können, so dass sie die Lösegeldforderungimmer weiter herunterschrauben. So lange, bis der Vater schließlich anbietet, sie von ihm zu erlösen, wenn sie
ihn
dafür bezahlen.«
    »Vielleicht wollen Sie ihrem Sohn ja selbst erzählen, dass es Ihnen egal ist, was mit ihm geschieht.«
    Ich ging zu dem Laptop, den ich auf dem Tisch platziert hatte, und tippte etwas ein, um das Fenster zum Video-Chat zu öffnen.
    »Hier ist Häuptling Rothaut«, meldete ich mich.
    Über den Laptopmonitor lief live ein Videostream mit Arkady Nawrozow, der mit

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