Lebendig und begraben
litauisches Zimmermädchen vergewaltigt hatte. Sein Vater hatte eine ganze Stange Geld unter die Leute bringen müssen, damit die Anklage fallengelassen wurde.
Weil er fürchtete, dass sein Sohn entführt werden könnte, sorgte er dafür, dass er nirgendwo ohne die Begleitung seiner eigenen, zu ihm passenden Truppe von Bodyguards hinging.
Aber Arkady war ein modernes Kind und postete allerleiauf Facebook und einer Social-Media-Website namens Foursquare, auf der man offenbar allen seinen Freunden mitteilte, wo man sich im Laufe eines Tages jeweils aufhielt.
An diesem Tag hatte er Folgendes gepostet:
Arkady N. in New York, N. Y.:
Hat einen Tip @ Gentry: Mischen heute Abend den VIP-Rm auf!
Nach seiner Ankunft hatte er gepostet:
Arkady N. @ Gentry
w. 45. Str.
Nicht lange danach traf auch ich im Gentry ein. Nur wollte ich es nicht aufmischen, und ich postete es auch nirgends.
Es gefällt mir nicht, jedermann wissen zu lassen, wohin ich will, bevor ich nicht da bin. Das verdirbt einem nur die Überraschung.
Mein Tisch lag auf der anderen Seite des Raumes, aber ich hatte noch Blickkontakt zu dem jungen Russen. Ich sah auf meine Uhr.
Auf die Minute genau näherte sich die bestaussehende Frau im Raum Arkady. Seine Bodyguards plusterten sich kurz auf, erkannten in Cristal aber keine tödliche Bedrohung. Sie flüsterte dem Knaben etwas ins Ohr und schmiegte sich auf seinen Schoß. Mit einer Hand streichelte sie seinen Schritt.
Seine Freunde kicherten. Arkady stand etwas verschämt auf und folgte ihr durch die violett beleuchteten Vorhänge in den Privatbereich auf der anderen Seite.
Arkadys Bodyguards eilten hinterher, aber er winkte ab.
Genau, wie ich es erwartet hatte.
Ich war schon weg, bevor sie wieder bei der Sitzinsel waren.
Der mit Vorhängen abgetrennte Bereich für Privataufführungen, in den Cristal Arkady geführt hatte, sah aus wie eines dieser viktorianischen Boudoirs, die man in Nevada in den Bordellen findet. Es hatte mit rotem Samt gepolsterte Wände, auf dem Boden lag ein verschlissener roter Teppich, und in der Mitte stand ein großes, rotes Samtbett mit goldenen Fransen. Es gab nur spärliches Licht.
Von meinem Platz hinter den roten Vorhängen aus konnte ich beobachten, wie die beiden hereinkamen.
»Mach’s dir schön gemütlich, und ich hole etwas Champagner, ja, du? Magst du Dom?«
Sie setzte ihn aufs Bett, steckte ihre Zunge in sein Ohr und flüsterte: »Ich bin in zwei Stößchen wieder da.«
»Hey, wo gehst du hin?«, fragte der Knabe. Er hatte einen derben, betont amerikanisierenden, russischen Akzent.
»Süßer, wenn ich wieder da bin, sorge ich dafür, dass dir das Gehirn durch die Schädeldecke fliegt«, sagte sie und schlüpfte durch die Vorhänge hinaus. Ich reichte ihr ein Bündel Geldscheine. Es war die zweite Hälfte von dem, was ich ihr versprochen hatte.
Arkady grinste zufrieden, streckte sich wie eine Katze und rief ihr hinterher: »Versprochen?«
Er hatte nicht bemerkt, wie ich mich von der anderen Seite ans Bett herangeschlichen hatte. Schnell wie eine Kobra stürzte ich nach vorn, klatschte eine Hand auf seinen Mund und rammte ihm meinen Revolver an die Schläfe. Ich krümmte meinen Finger um den Abzug.
»Hast du schon mal gesehen, wie einem Mann das Gehirn durch die Schädeldecke fliegt, Arkady?«, flüsterte ich. »Ich schon. So was vergisst man nie.«
73. KAPITEL
Roman Nawrozow gehörte das Penthouse im Mandarin Oriental, von dem aus man einen der schönsten Ausblicke auf die Stadt genießen konnte. Er verbrachte neuerdings viel Zeit in der Stadt. Er versuchte die New York Mets, einen Profi- Baseballclub, zu kaufen, weil deren Besitzer durch den Milliardenbetrüger Bernard Madoff schwer geschädigt worden war.
Meinem KGB-Freund Tolja zufolge fühlte er sich im Mandarin sicher. Es gab eine Reihe gestaffelter Sicherheitsbarrieren sowie mehrere Ein- und Ausgänge. Das aufmerksame Personal der Residenz bildete nur die erste Verteidigungslinie.
In der Lobby erwartete mich ein schlanker, eleganter, silberhaariger Mann um die sechzig. Er trug einen teuren, dunkelblauen Nadelstreifenanzug mit einem goldfarbenen, perfekt gefalteten Einstecktuch.
Er stellte sich als Eugene vor – ohne Nachnamen. Er sei ein »Gesellschafter« Mr. Nawrozows.
Er benahm sich wie ein englischer Butler. Obwohl es schon nach Mitternacht war und er wusste, dass ich gerade den Sohn seines Chefs gekidnappt hatte, bewahrte er angenehme Umgangsformen. Er
Weitere Kostenlose Bücher