Lebendig und begraben
Desert Eagle.
Ich sah den wütenden Blick seiner weit geöffneten Augen, seine kräftige Nase, das scharf geschnittene Kinn und ein Blumenkohlohr.
»Nick, wo bist du? Ich dachte, du wärst da? Wann kommen die anderen? Nick, bitte hol mich hier raus, o Gott, bitte, Nick, lass mich … »
Schukow drehte sich langsam um.
Jetzt wusste er Bescheid.
103. KAPITEL
Schukow wusste, dass ich hier irgendwo sein musste. Die Verzweiflung in Alexas Stimme wuchs: »Bitte, Nick, antworte mir! Lass mich hier nicht allein.
Verdammt,
geh nicht weg!«
Schukow bewegte sich mit der konzentrierten Anspannung und Geschmeidigkeit einer Katze. Seine Blicke suchten den Raum ab, methodisch und systematisch.
Ich atmete hinter der dicken Holztür unhörbar ein und aus. Durch das Schlüsselloch behielt ich alles im Blick.
Eigentlich war ich gekommen, um Alexa zu retten. Aber jetzt ging es nur noch ums eigene Überleben.
Die Hohlspitzmunition, die ich geladen hatte, mochte eine unübertroffene Mannstoppwirkung haben, aber die Kugeln würden nicht durch die dicke alte Holztür dringen, die sich zwischen uns befand. Die Geschosse würden sich beim Einschlag sofort verformen. Und falls sie es doch durch die Tür schafften, wäre ihre Geschwindigkeit danach so sehr verringert, dass sie nicht mehr töten konnten.
Ich war praktisch wehrlos.
Meine ballistische Schutzweste war auch nicht dafür ausgelegt, 50er-Magnum-Schüsse aufzuhalten, die aus einer Desert Eagle abgefeuert wurden. Ich war mir nicht sicher, ob ein Schuss die Weste durchdringen würde. Aber selbst wenn das nicht passierte, würde vermutlich schon die enorme Gewalt des Aufschlags ausreichen, um mich zu töten.
Deshalb beobachtete ich Schukow durch das Schlüsselloch, hielt den Atem an und wartete darauf, dass er in einen anderen Teil des Hauses ging.
Schukow suchte noch einmal das Zimmer ab. Er schien davon überzeugt zu sein, dass ich hier nicht versteckt war. Ich sah, wie sein Blick zur Küche wanderte. Dann machte erein paar Schritte in diese Richtung. Durch das Schlüsselloch hatte ich ihn gut im Auge.
Langsam atmete ich aus. Sobald ich sicher war, dass er sich weiter auf die Küche zubewegt hatte, wollte ich den Türöffner drehen und so leise wie möglich herauskommen.
Falls es mir gelang, ihn zu überraschen, könnte ich ihn mit einem einzigen gut gezielten Schuss flachlegen.
Langsam streckte ich den Arm aus und legte meine linke Hand auf den Türdreher. Ich wollte ihn drehen, sobald er den Raum verlassen hatte.
Ich beobachtete ihn unablässig.
Atmete tief ein. Wartete geduldig. Nur noch ein paar Sekunden.
Dann machte er auf dem Fuße kehrt. Wandte sich wieder zurück in meine Richtung. Sein Blick ging Richtung Boden, als hätte er gerade etwas entdeckt. Ich sah, wohin er schaute.
Es war der Lehnstuhl vor der Kellertür, den ich eben aus dem Weg geräumt hatte. Er stand nicht mehr da, wo er ihn zurückgelassen hatte.
Langsam hob er seinen Blick. Er grinste und entblößte Zähne, die braun waren und ins Maul eines Bibers gehörten.
Er hob die Desert Eagle und zielte damit direkt auf die Kellertür. Genau auf mich, so als hätte er Röntgenaugen und könnte durch Holz hindurchschauten. Dann zog er den Abzug …
Ich hechtete aus der Schusslinie. Von jetzt an geschah alles wie in Zeitlupe. Schüsse donnerten, Mündungsfeuer flackerte, Zündungsblitze beleuchteten den ganzen Raum, die Tür zersplitterte, und als ich Türdreher und Geländer losließ und rückwärts sprang, spürte ich, wie eine Kugel auf meiner Brust einschlug. Ein stechender Schmerz durchzuckte mich, dann verlor ich das Bewusstsein.
104. KAPITEL
Sekunden später kam ich unter entsetzlichen Schmerzen wieder zu mir. Als wäre etwas in meiner Brust explodiert, während gleichzeitig mein Brustkorb in einem großen Schraubstock zerquetscht wurde. Die Schmerzen in meinem linken Bein waren sogar noch schlimmer. Es war ein pochender, scharfer Schmerz – meine Nervenenden kreischten und flatterten. Alles bewegte sich wie unter Stroboskoplicht als schnelle Folge vieler Einzelbilder.
Wo war ich?
Ich lag auf dem Rücken, soviel war klar. Auf kaltem, harten Boden. Fast in völliger Dunkelheit. Um mich herum der feuchte Geruch von Moder, altem Zement und Urin. Nachdem sich meine Augen angepasst hatten, sah ich überall um mich herum Haufen von etwas, das aussah wie zerrissene Zeitungen. Alles war voll Rattenkot.
Etwas huschte vorbei und gab ein quietschendes Geräusch von sich. Ich zuckte zur
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