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Lebendig und begraben

Lebendig und begraben

Titel: Lebendig und begraben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Finder Joseph
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hinhielt. »Du siehst großartig aus.«
    Das war nicht gelogen. Diana Madigan trug eine enge Jeans und abgeschabte braune Cowboystiefel zu einem smaragdgrünen Oberteil, das ihre vollen Brüste betonte und ihre verblüffend hellgrünen Augen unterstrich. Statistisch gesehen haben weniger als zwei Prozent der Weltbevölkerung grüne Augen.
    Aber das war nicht das Einzige mit Seltenheitswert an ihr. Ich habe noch nie eine Frau wie sie getroffen. Sie war zäh, einfühlsam und elegant. Und wundervoll. Sie hatte einen festen, zierlichen Körper und eine Mähne widerspenstigen, lockigen Haares, das seinen eigenen physikalischen Gesetzen gehorchte. Es war honigbraun mit kupferfarbenen Einsprengseln. Ihre Nase war kräftig und trotzdem zierlich, mit leicht ausgestellten Nasenflügeln. Die einzige Spur, welche die Jahre hinterlassen hatten, waren die Lachfältchen um ihre Augenwinkel.
    Wir hatten uns seit fünf oder sechs Jahren nicht mehr gesehen, seit sie von der FBI-Außenstelle in Washington nach Seattle versetzt worden war und gleichzeitig erklärt hatte, dass sie keine Fernbeziehung wollte. Unsere Beziehung war ohnehin ziemlich locker gewesen; zwar auch nicht direkt eine Freundschaft mit Sex, aber es gab weder Erwartungsdruck noch Erklärungsnot. Es war keine Einstiegsdroge gewesen, die zwangsläufig zu einer langfristigen Sucht führen würde. So wollte sie es, und angesichts meiner Arbeitszeiten und meiner vielen Reisen war ich mit diesem Arrangementmehr als einverstanden. Ich genoss ihre Gesellschaft und sie meine.
    Trotzdem, als Diana mich damals anrief und mir mitteilte, dass sie nach Seattle ziehen würde, wechselte meine Stimmung sehr schnell von verblüfft nach verletzt. Ich hatte zuvor noch nie jemanden wie sie kennengelernt und war fest davon überzeugt, dass ich es auch nie wieder tun würde. Es überraschte mich, dass sie nicht genauso empfand. Gut, ich bin es nicht gewohnt, dass Frauen mich verlassen, aber hier ging es nicht nur um ein gekränktes männliches Ego. Ich war von mir enttäuscht, weil ich sie so sehr verkannt hatte. Bis dahin hatte ich meine gute Menschenkenntnis immer für eines meiner angeborenen Talente gehalten.
    Sie war nicht der Typ, der tiefschürfende Gespräche führen wollte, wie so viele andere Frauen. In dieser Hinsicht ähnelte ihre emotionale Struktur der meinen. Also legte ich das Ende meiner Beziehung mit Diana Madigan in meinem mentalen Aktenordner für ungelöste Fälle ab.
    Leider übten ungelöste Fälle immer eine unwiderstehliche Anziehungskraft auf mich aus.
    »Ich sehe aus wie ein Wrack, das weißt du genau«, sagte sie. »Ich habe gerade die Nachtschicht hinter mir und bin auf dem Heimweg.«
    »Seit wann arbeitest du nachts?«
    »Ich habe die ganze Nacht damit zugebracht, mit Raubtieren zu chatten, und so getan, als wäre ich eine Vierzehnjährige.«
    »Tatsächlich? Was für ein Zufall. Ich auch.«
    »Dieser Perverse ist einundfünfzig«, sagte sie und ignorierte mich. Über ihre Arbeit hatte sie nie Scherze gemacht. »Wir haben vereinbart, dass wir uns in einem Motel in Everett treffen. Das dürfte eine ziemliche Überraschung für ihn werden.«
    »Du arbeitest also immer noch bei CARD?«
    »Ob du’s glaubst oder nicht.«
    CARD stand für die Schnelle Eingreiftruppe des FBI in der Abteilung Kindesmissbrauch,
Child Abduction Rapid Deployment.
Die Arbeit ging einem unter die Haut. Was Diana alles zu sehen bekam … Ich hatte nie verstehen können, wie sie damit weitermachen konnte. Und ich hatte gedacht, dass sie längst das Handtuch geworfen hätte.
    Sie trug keinen Ehering, und ich nahm an, dass sie auch keine Kinder hatte. Ich fragte mich, ob sie jemals Kinder bekommen würde, nachdem sie gesehen hatte, was ihnen alles zustoßen könnte.
    »Kann ich dich nach Hause fahren?«, fragte ich.
    »Woher weißt du, dass ich nicht mit dem Wagen hier bin?«
    »Weil du dann in der Tiefgarage geparkt hättest wie alle FBI-Angestellten. Außerdem hättest du deinen Wagenschlüssel in der linken Hand. Vergiss nicht, ich kenne dich.«
    Sie blickte zur Seite. Verlegen? Jedenfalls undurchschaubar; was wie immer das emotionale Äquivalent von Kryptonit war. »Meine Wohnung liegt im South End. Ich wollte die T-Line nehmen.«
    Ich hielt ihr die Beifahrertür auf.

18. KAPITEL
    »Also übernimmt jetzt die nächste Schicht den Job, mit deinen Raubtieren zu chatten?«, erkundigte ich mich.
    »Geht nicht«, antwortete Diana. »Diese miesen Kerle wittern möglicherweise jede Veränderung

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