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Lebens-Mittel

Lebens-Mittel

Titel: Lebens-Mittel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Pollan
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Antioxidanzien in Granatäpfeln (einem Obst, das schwierig zu essen ist und für das früher galt, dass der Aufwand sich nicht lohne) schützen jetzt offenbar vor Krebs und Erektionsstörungen, und die Omega-3-Fettsäuren in der (früher nur dick machenden) Walnuss wehren jetzt Herzkrankheiten ab. Inzwischen ist eine ganze Unterabteilung der Ernährungswissenschaft entstanden, die von der Industrie gesponsert wird und einer neueren Analyse zufolge 6 insofern bemerkenswert zuverlässig ist, als sie in jedem Lebensmittel, mit dessen Untersuchung sie beauftragt wurde, einen gesundheitlichen Nutzen fand; zu den Nahrungsmitteln, denen sie einen Nährstoffheiligenschein (und damit eine von der FDA abgenickte Gesundheitsbehauptung) verpasste, zählen auch einige, die man gemeinhin nicht für gesund halten würde. Die Mars Corporation hat vor kurzem einen Lehrstuhl für Schokoladenwissenschaft an der University of California in Davis gestiftet, wo Forschungen über die antioxidativen Qualitäten von Kakao für Durchbrüche sorgen; deshalb dauert es wahrscheinlich nicht mehr lange, bis wir auf Schokoriegeln von der FDA abgesegnete Gesundheitsanpreisungen lesen können. (Wenn es so weit kommt, hat der Nährstoffwahn eindeutig seine groteske Phase erreicht.) Zum Glück für jeden, der dieses Spiel mitspielt, finden die Wissenschaftler ein Antioxidanz in einfach jedem pflanzlichen Lebensmittel, das sie zu untersuchen beschließen.
    Generell aber gilt, dass es sehr viel einfacher ist, eine Gesundheitsbehauptung auf eine Packung mit zuckerhaltigen Zerealien zu pappen als etwa auf eine rohe Kartoffel oder Möhre. Das führt zu dem perversen Ergebnis, dass die gesündesten Lebensmittel im Supermarkt still und schweigsam wie die Schlaganfallopfer in der Obst- und Gemüseabteilung vor sich hin dämmern, während ein paar Gänge weiter die Zerealien lauthals ihre »Güte aus dem vollen Korn« in den Himmel schreien.
    Misstrauen Sie solchen Behauptungen über Gesundheit.

5
     
    Die Lipid-Hypothese schmilzt
     
    Der Nutritionismus ist gut für die Lebensmittelbranche. Aber ist er auch gut für uns? Vielleicht meinen Sie, die Fixierung auf Nährstoffe würde die Volksgesundheit messbar verbessern. Aber dazu müssten die zugrundeliegende Nährstoffwissenschaft und die auf dieser Wissenschaft beruhenden behördlichen Empfehlungen (und – ähm – der Journalismus) eine solide Grundlage haben. Das war selten der Fall.
    Die wichtigste Nährstoffkampagne war die dreißig Jahre währende Anstrengung, die Lebensmittelversorgung und unsere Essgewohnheiten im Lichte der Lipid-Hypothese zu reformieren – der Vorstellung, das Fett in der Nahrung sei für chronische Krankheiten verantwortlich. Auf Geheiß von Regierungsausschüssen, Ernährungswissenschaftlern und Vertretern des Gesundheitswesens haben wir beim geschichtlich größten Experiment des angewandten Nutritionismus unser Essverhalten und unsere Einstellung zur Nahrung drastisch verändert. Drei Jahrzehnte später haben wir guten Grund zu der Annahme, dass es nicht nur zahllose Mahlzeiten ruiniert, sondern auch kaum etwas für unsere Gesundheit getan bzw. diese sehr wahrscheinlich sogar verschlechtert hat, dass wir den Nährstofffanatikern die Aufsicht über Menü und Küche übertragen haben.
    Harte Worte, ich weiß. Hier noch ein paar mehr: Was die Sowjetunion für die Ideologie des Marxismus war, war die Fettarm-Kampagne für die Ideologie des Nutritionismus – ihr ultimativer Test und, wie jetzt klar wird, ihr kläglichster Misserfolg. Nun könnten Sie, wie manche Betonköpfe es tun, die Schuld dafür einer fehlerhaften Ausführung in die Schuhe schieben – oder akzeptieren, dass die der Ideologie zugrundeliegenden Dogmen den Keim des späteren Desasters bereits in sich trugen.
    An dieser Stelle sagen Sie sich wahrscheinlich: Also jetzt mal stopp. Behaupten Sie da wirklich, das ganze Fettarm-Gerede wäre Unsinn gewesen? Aber in meinem Supermarkt stapeln sich immer noch die Pakete mit allen möglichen fettarmen, cholesterinfreien Produkten! Mein Arzt ist immer noch wegen meines Cholesterinspiegels hinter mir her und sagt, ich solle komplett auf fettarm umstellen. Als ich von dem Fettarm-Schwindel erfuhr, bin ich auch aus allen Wolken gefallen; denn kein einziger Verantwortlicher – weder von Behördenseite noch aus dem Gesundheitswesen – hat sich aus der Deckung getraut und verkündet: Ähm, Sie wissen ja, was wir Ihnen in den letzten dreißig Jahren alles über die

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