Lebens-Mittel
die Portionsgrößen in Frankreich sowohl in Restaurants als auch in Supermärkten deutlich kleiner waren als in den Vereinigten Staaten. Das ist wichtig, weil die meisten Leute das haben, was Psychologen eine Einheits-Verzerrung nennen – wir neigen zu der Meinung, dass die Portion, die uns serviert wird, egal wie groß oder klein sie sein mag, die Menge ist, die wir essen sollten. Rozin bemerkte auch, dass die Franzosen erheblich mehr Zeit damit zubrachten, ihre winzigen Portionen zu genießen, als die Amerikaner ihre überdimensionierten. »Obwohl sie weniger essen als die Amerikaner«, schreibt Rozin, »verbringen die Franzosen mehr Zeit mit dem Essen und bekommen auf diese Weise ein stärkeres Ernährungserlebnis mit weniger Nahrung.« Er meint, dass das französische Talent, aus weniger Kalorien ein stärkeres Ernährungserlebnis herauszuholen, mit eine Erklärung dafür sein könnte, dass die Franzosen schlanker und gesünder sind als die Amerikaner. Das klingt nach einem sehr vernünftigen Ernährungsansatz und legt eine übergreifende Strategie nahe, die uns in seine Richtung schieben könnte.
Zahlen Sie mehr, essen Sie weniger. Am Beispiel der Franzosen wird deutlich, dass es beim Essen eine Wechselbeziehung zwischen Quantität und Qualität gibt.
Das amerikanische Ernährungssystem steckt seine Energien seit mehr als zweihundert Jahren eher in die Quantität und den Preis als in die Qualität. Wir sind gut darin, gigantische Mengen mittelmäßiger Lebensmittel zu produzieren, die in riesigen Paketen zu bombigen Preisen verkauft werden. Ja, es gibt hervorragende Lebensmittel in Amerika, sogar immer mehr, aber als leitendes Prinzip hätte bisher gut der Slogan einer Supermarktkette herhalten können: »Hohe Stapel, kleiner Preis.«
Wir kommen nicht um die Tatsache herum, dass – geschmacklich oder nährwertmäßig (was sich oft deckt) – besseres Essen mehr kostet, im Allgemeinen deshalb, weil es sorgfältiger und weniger intensiv erzeugt wurde. Nicht jeder in Amerika kann sich hochwertige Nahrung leisten, und das ist eine Schande; aber wer es kann, sollte es tun. Das nützt nicht nur unserer Gesundheit (weil es uns, unter anderem, weniger Pestizide und Medikamente zuführt); es nützt auch der Gesundheit der Menschen, die die Nahrung erzeugen, und der Menschen, die strom- und windabwärts von den Farmen leben, auf denen sie erzeugt wird.
Ein weiterer wichtiger Vorteil hochwertiger und hochpreisiger Lebensmittel besteht darin, dass Sie wahrscheinlich weniger von ihnen essen werden.
»Essen Sie weniger« ist wohl der unbeliebteste Rat von allen, aber aus wissenschaftlicher Sicht liegen zwingende Beweise dafür vor, dass Sie wesentlich weniger essen sollten, als Sie gegenwärtig tun, egal ob Sie übergewichtig sind oder nicht. Bei Tieren ist wiederholt gezeigt worden, dass eine Kalorienreduzierung den Alterungsprozess verlangsamt und die Lebensdauer verlängert; manche Forscher meinen, dies wäre die stärkste Korrelation überhaupt zwischen Ernährungsänderungen und Krebsvorbeugung. Einfach gesagt: Wenn wir zu viel essen, fördert das die Zellteilung, bei Krebszellen sogar in besonders dramatischem Umfang; eine Kappung der Kalorienzufuhr verlangsamt die Zellteilung, unterbindet die Produktion von freien Radikalen, drosselt Entzündungen und verringert das Risiko für die meisten Zivilisationskrankheiten.
»Weniger essen« ist jedoch leichter gesagt als getan, besonders in einer Kultur, in der Kalorien billig und reichlich vorhanden sind und ein Regelkomplex, der das Überessen stoppen könnte, keine stabile Tradition hat. Andere Kulturen verfügen über solche Regeln, und wir können versuchen, es ihnen nachzutun. Die Franzosen haben ihre bescheidenen Portionen und ihr Nachschlag-Tabu. Die Menschen auf Okinawa, eine der langlebigsten und gesündesten Populationen der Welt, befolgen einen Grundsatz, den sie hara hachi bu nennen: Iss, bis dein Magen zu 80 Prozent gefüllt ist.
Das ist ein vernünftiger Gedanke, aber auch er ist leichter gedacht als umgesetzt. Woher wissen Sie, wann Ihr Magen zu 80 Prozent gefüllt ist? Dazu müssten Sie in engerem Kontakt zu Ihren Körperempfindungen stehen, als es bei vielen zu Tisch sitzenden Amerikanern inzwischen der Fall ist. Wie Rozin und andere Psychologen gezeigt haben, isst der durchschnittliche Amerikaner nicht, bis der Magen voll ist (und schon gar nicht, bis er zu 80 Prozent voll ist), sondern eher bis er aus seiner Umgebung einen visuellen Hinweis
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