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Lebens-Mittel

Lebens-Mittel

Titel: Lebens-Mittel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Pollan
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haben herausgefunden, wie sich diese nicht besonders vielversprechende Pflanze in ein ausgesprochen nahrhaftes Lebensmittel verwandeln lässt: Durch das Kochen der zerquetschten Sojabohnen in Wasser entsteht eine Art Milch, die durch die Beigabe von Gips (Calciumsulfat) gerinnt; auf diese Weise machten die Köche aus den Sojabohnen einen Quark mit einem sehr leicht verdaulichen Protein: den Tofu.
    Inwiefern unterscheiden sich diese traditionellen Methoden der »Lebensmittelverarbeitung« von den neueren Praktiken der Lebensmittelwissenschaft? Eigentlich nur dadurch, dass die traditionellen Methoden sich bewährt haben: Generation für Generation waren die Menschen gut ernährt und gesund. Zu den Wesensmerkmalen einer traditionellen Ernährung gehört ihr Konservatismus. In Ernährungsangelegenheiten sind Traditionen Ausdruck einer langen Erfahrung; oft verkörpern sie eine Ernährungslogik, die wir nicht achtlos ausmustern sollten. Deshalb möchte ich die Empfehlung, sich an eine traditionelle Ernährungsform zu halten, ergänzen:
    Betrachten Sie nichttraditionelle Lebensmittel mit Skepsis. Innovationen sind interessant, aber beim Thema Ernährung mit Vorsicht zu genießen. Wenn wir davon ausgehen, dass eine Küche das Ergebnis eines evolutionären Prozesses ist, gleicht ein neues Lebensmittel oder eine kulinarische Innovation einer Mutation: Beides könnte eine revolutionäre Verbesserung darstellen, aber wahrscheinlich ist das nicht. Denken Sie daran, was passierte, als die moderne Architektur auf das Giebeldach verzichtete: Die flachen Dächer, die an seine Stelle traten, hatten oft Lecks.
    Auch in dieser Hinsicht ist Soja ein interessantes Beispiel. Die Amerikaner essen mehr Sojaprodukte als je zuvor, was weitgehend am Erfindungsreichtum einer Industrie liegt, die emsig die riesigen Mengen subventionierten Sojas verarbeiten und vermarkten möchte, die von nord- und südamerikanischen Farmen kommen. Aber wir essen Soja heute so, dass asiatische Kulturen mit ihrer sehr viel längeren Erfahrung mit dieser Pflanze sie nicht wiedererkennen würden: »Isoliertes Soja-Protein, »Soja-Isoflavone«, »texturiertes pflanzliches Eiweiß« aus Soja und Sojaöl (die heute ein Fünftel der Kalorien in der amerikanischen Kost ausmachen) finden ihren Weg in Tausende weiterverarbeiteter Nahrungsmittel. Ergebnis? Die Amerikaner essen heute mehr Soja als die Japaner oder die Chinesen.
    Die Auswirkungen dieser neuartigen Nahrungsmittelprodukte auf unsere Gesundheit werfen jedoch ein paar Fragen auf. Die in den meisten Sojaprodukten enthaltenen Soja-Isoflavone sind Verbindungen, die Östrogen gleichen und an menschliche Östrogenrezeptoren andocken. Aber es ist unklar, ob diese sogenannten Phytoöstrogene sich im Körper wirklich wie ein Östrogen verhalten oder ihm nur weismachen, sie wären eins. Aber wie dem auch sei: In beiden Fällen könnten die Phytoöstrogene sich (positiv oder negativ) auf das Wachstum bestimmter Krebsarten, Wechseljahresbeschwerden und die Tätigkeit des Hormonsystems auswirken. Aufgrund dieser Ungewissheiten hat die FDA es abgelehnt, den als Lebensmittelzusatz verwendeten Soja-Isoflavonen die gesundheitliche Unbedenklichkeit zu bescheinigen. Ein leitender Wissenschaftler am FDA-Zentrum für toxikologische Forschung schrieb: »Das Vertrauen in die Unbedenklichkeit von Sojaprodukten beruht eindeutig eher auf dem Glauben als auf Fakten und Zahlen.« Bis diese Fakten auf dem Tisch liegen, fühle ich mich wohler, wenn ich Soja auf die traditionell asiatische Art zubereitet esse – und nicht als Teil der neuen Rezepturen, die von Weiterverarbeitern wie Archer Daniels Midland 40 entwickelt wurden.
     
    Suchen Sie nicht nach dem geheimnisvollen Faktor X in traditionellen Ernährungsformen. Genauso wie Lebensmittel mehr sind als die Summe ihrer Nährstoffkomponenten, scheinen auch Ernährungsmuster mehr zu sein als die Summe der Speisen, aus denen sie bestehen. Unmengen von Tinte sind bei dem Versuch verschwendet worden, die Mittelmeerkost in ihre Bestandteile zu zerlegen, diese zu analysieren und so hoffentlich jenen Faktor X zu finden, der dafür verantwortlich ist, dass sie so gesund ist: Ist es das Olivenöl? Der Fisch? Die wild wachsenden Grünpflanzen? Der Knoblauch? Die Nüsse? Auch das Französische Paradox wird wechselweise der heilsamen Wirkung von Rotwein, Olivenöl und sogar der Gänsestopfleber zugeschrieben (Leber enthält viele B-Vitamine und Eisen). Aber wenn die Forscher ein einzelnes Lebensmittel

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