Lebens-Mittel
ausgeben, gesunken ist? 1960 gaben die Amerikaner 17,5 Prozent ihres Einkommens für das Essen aus; 5,2 Prozent des Volkseinkommens gingen für die Gesundheitsversorgung drauf. Seitdem haben die Zahlen sich umgekehrt: Die Ausgaben für das Essen sind auf 9,9 Prozent abgesackt, während die Ausgaben für Gesundheit auf 16 Prozent des Volkseinkommens angewachsen sind. Was mich zu der Überlegung veranlasst, dass wir die Gesundheitskosten zurückfahren könnten, wenn wir ein bisschen mehr für gesündere Nahrung ausgeben würden.
Damit die pauschale Empfehlung »Zahlen Sie mehr, essen Sie weniger« ein bisschen schmackhafter wird, möchte ich noch einmal daran erinnern, dass die Qualität als solche zwar wahrscheinlich mehr kostet, sich aber auch direkt auf die Menge auswirken könnte, die Sie überhaupt essen wollen . Je besser Ihre Nahrung ist, desto weniger brauchen Sie zu essen, um sich gesättigt zu fühlen. Nicht alle Karotten sind von Natur aus gleich, und die besten – diejenigen, die es sich wirklich zu genießen lohnt – machen einfach besser satt, Bissen für Bissen. In Anlehnung an Paul Rozin könnte man sagen: Erstklassiges Essen bietet einfach ein stärkeres »Ernährungserlebnis« – pro Bissen, pro Gericht, pro Mahlzeit. Die Franzosen haben vorgemacht, dass man für ein erfüllendes Ernährungserlebnis keine Unmengen von Essen braucht. Entscheiden Sie sich für Qualität statt für Quantität, für Ernährungserlebnisse statt für bloße Kalorien.
Essen Sie Mahlzeiten. Diese Empfehlung klingt fast genauso lächerlich wie »Essen Sie Lebensmittel«, aber zumindest in Amerika sind echte Mahlzeiten nicht mehr selbstverständlich. Wir essen häufiger zwischendurch und weniger Mahlzeiten gemeinsam mit anderen Menschen. Soziologen, die amerikanische Essgewohnheiten studieren, bauen ihre Ergebnisse nicht mehr um das zunehmend altertümliche Konzept der Mahlzeit auf: Sie messen jetzt »Verzehrgelegenheiten« und berichten, die Amerikaner hätten den drei großen traditionellen Mahlzeiten – Frühstück, Mittagessen und Abendessen – eine vierte tägliche Verzehrgelegenheit hinzugefügt, die den ganzen Tag andauert und noch keinen eigenen Namen hat: das ständige Nippen und Naschen beim Fernsehen, Autofahren und so weiter. Eine Studie ergab, dass heute bei achtzehn- bis fünfzigjährigen Amerikanern rund ein Fünftel des gesamten Essens im Auto stattfindet. 45
Dass jemand meint, die Mahlzeit verteidigen zu müssen, ist traurig, aber ich hätte auch nie gedacht, dass ich einmal »Lebensmittel« verteidigen müsste. Die meisten Leser werden sich ohne großartige Aufforderung meinerseits daran erinnern, wie angenehm gemeinsame Mahlzeiten sind. Am Esstisch sozialisieren und zivilisieren wir unsere Kinder, dort bringen wir ihnen Umgangsformen und die Kunst der Konversation bei. Am Esstisch können die Eltern die Portionsgrößen bestimmen, durch ihr Beispiel das Ess- und Trinkverhalten formen und sozialen Normen in puncto Gier, Unersättlichkeit und Verschwendung Nachdruck verleihen. Gemeinsame Mahlzeiten sind sehr viel mehr als eine Versorgung des Körpers mit Brennstoff; sie sind eine ausschließlich menschliche Einrichtung, bei der unsere Spezies die Sprache entwickelte und dieses Etwas, das wir Kultur nennen. Muss ich mehr sagen?
All das ist dermaßen selbstverständlich, dass die Amerikaner die Meinungsforscher-Frage, ob sie an den meisten Abenden als Familie zusammen essen, dröhnend – und dröhnend unwahr – mit Ja beantworten. Tatsächlich berichten heute die meisten amerikanischen Familien, sie würden an drei oder vier Abenden in der Woche zusammen essen, aber selbst diese Mahlzeiten gleichen dem von Norman Rockwell 46 postulierten Ideal nur ganz entfernt. Denn wenn Sie an den Küchen- und Esszimmerdecken über typisch amerikanischen Familien Videokameras installieren, wie Marketingleute es im Auftrag großer Lebensmittelfirmen getan haben, entdecken Sie schnell, dass zwischen dem tatsächlichen Familienabendessen und dem Bild, das wir von ihm haben, eine gewaltige Diskrepanz besteht. Mag sein, dass Mama immer noch etwas für sich selbst kocht und ein Weilchen am Tisch sitzt, aber die meiste Zeit ist sie dabei allein. Denn Papa und jedes Kind bereitet sich sein eigenes Hauptgericht zu, wobei »zubereiten« in diesem Fall ein Synonym dafür ist, dass ein Fertiggericht in die Mikrowelle geschoben wird. Vielleicht setzen sich auch die einzelnen Familienmitglieder so lange zu Mama, bis sie mit
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