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Lebens-Mittel

Lebens-Mittel

Titel: Lebens-Mittel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Pollan
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Essens, für das die Slow-Food-Bewegung 48 sich einsetzt; die in Italien entstandene Initiative engagiert sich für den Grundsatz, dass »die entschiedene Verteidigung eines besonnenen materiellen Genusses die einzige Möglichkeit darstellt, dem universellen Wahnsinn der Schnelllebigkeit etwas entgegenzusetzen«. Slow Food wurde in den 1980er Jahren in Reaktion auf die Eröffnung des ersten amerikanischen Fastfood-Restaurants in Rom gegründet und möchte Menschen (wieder) zeigen, wie befriedigend gut angebaute und gut zubereitete Nahrung ist, die bei gemütlichen gemeinsamen Mahlzeiten genossen werden. Das klingt nach einem elitären Feinschmecker-Klub (was manchmal leider der Fall sein kann); aber von der ursprünglichen Idee her stellt Slow Food einen kohärenten Protest gegen – und eine Alternative zu – der westlichen Ernährung und ihrer Art zu essen dar, und eigentlich gegen den gesamten immer riskanteren westlichen Lebensstil. Slow Food stellt die Qualität über die Quantität und ist der Meinung, dass wir dazu einerseits unsere Geschmackssinne entwickeln und andererseits die Erzeuger-Verbraucher-Beziehungen wieder aufbauen müssen, die durch die Industrialisierung unserer Ernährung zerstört wurden. »Die Lebensmittelqualität hängt von Verbrauchern ab, welche die Arbeit der Landwirte respektieren und bereit sind, die eigenen Sinne zu kultivieren«, sagte Carlo Petrini, der Gründer der Slow-Food-Bewegung. Wenn das geschieht, »werden sie zu wertvollen Verbündeten der Erzeuger«. Sogar das Genießen kann politisch sein, etwa wenn es dazu führt, dass wir die Arbeit der Menschen, die unsere Nahrung erzeugen, mehr schätzen, und wenn es unserer Vorliebe für den oberflächlichen Genuss einen Dämpfer verpasst.
    Es ist kein Zufall, dass die Slow-Food-Bewegung ihre Wurzeln in Italien hat, einem Land, das deutlich weniger in den »Wahnsinn der Schnelllebigkeit« verliebt ist als die Vereinigten Staaten; man muss sich tatsächlich fragen, ob es überhaupt realistisch ist anzunehmen, der amerikanische Ernährungsstil könne reformiert werden, ohne zugleich den gesamten amerikanischen Way of Life zu reformieren. Denn Fastfood entspricht genau der Ernährung, die man von einem Volk erwarten kann, das den Erfolg in die Mitte des Lebens stellt, das viel und lange arbeitet (mit zwei Berufstätigen pro Haushalt), jedes Jahr nur ein paar Wochen Urlaub bekommt und nicht auf ein soziales Sicherheitsnetz zurückgreifen kann, das Schicksalsschläge abfedern könnte. Wenn wir nun einen Gang herunterschalten und mehr Zeit für das Essen schaffen – eine Aktivität, die dreimal am Tag stattfindet und sich tief in die gesamte Kultur hinein verästelt -, könnte das genau der Keil sein, der das ganze Gebäude zum Einsturz bringt, und darauf setzt Slow Food.
    Langsam essen im Sinne des Slow Food bedeutet, mit mehr Informationen über all die Vorgänge zu essen, durch die Nahrung der Erde entlockt und auf den Teller gebracht wird. Oft beruht der Genuss beim Essen gerade auf dem Gegenteil – nämlich dass wir herzlich wenig wissen; manchmal ist er davon abhängig. Der Fastfood-Hamburger etwa wurde so exzellent zusammengebaut, dass er einen saftigen und schmackhaften ersten Bissen liefert; aber diesen Bissen könnte der Esser unmöglich genießen, wenn er die Rindermastparzellen, den Schlachthof und die Arbeiter dort vor Augen hätte, oder wenn er irgendetwas über den »künstlichen Grillgeschmack« wüsste, der diesen ersten Bissen so unwiderstehlich macht. Keine Frage: Dieser Hamburger will möglichst schnell gegessen werden. Wenn Sie dagegen einen Burger von Rindern essen, die mit Gras gefüttert wurden, und sich die grünen Weiden vorstellen, auf denen die Tiere herumgewandert sind, ist das eine andere Art von Genuss, sicher kein einfacher, aber einer, der auf Wissen statt auf Ignoranz beruht, auf Dankbarkeit statt auf Gleichgültigkeit.
    Langsam essen bedeutet also, bewusst zu essen, mit Überlegung und nicht zwanghaft. Viele kulinarische Kulturen, insbesondere solche, die dem Boden weniger entfremdet sind als die unsere, haben Rituale, die diese Art zu essen fördern: Sie segnen die Speisen oder sprechen vor dem Essen ein Dankgebet. Ich glaube, dass es dabei darum geht, nicht gedankenlos und gehetzt zu essen, und das Genießen am Tisch durch Wissen und Dankbarkeit zu ergänzen. Ich spreche vor einer Mahlzeit normalerweise nicht irgendwelche speziellen Worte, aber manchmal rufe ich mir ein paar Sätze von Wendell Berry

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