Lebensabende & Blutbaeder
heruntergelassener Hose, dass er überhaupt bald durchdreht, wenn sein Negativlauf anhält und links und rechts seines Lebensweges nur noch Probleme wachsen – wo zum Teufel ist denn hier das Klopapier?!
„Duden!“, schreit der Schlevsky den Mallinger an, als er endlich mit etwas breitem Gang aus dem Klo herauskommt und seinen Reisegefährten schon wieder bei seinem Ferrari knieend vorfindet.
„Duden!“
„Ja, Schlevsky?“, fragt der Mallinger leise.
Da kratzt sich der Schlevsky am Arsch und geht einfach Richtung Bahnhofsrestaurant.
„Gott im Himmel!“, seufzt er. „Was soll ich mit dem jetzt drei Stunden lang anfangen?“
Ein Bahnhofsrestaurant mag nun zwar ideal für einen Lehrer sein, der kulinarisch so anspruchsvoll ist wie die Kuh auf der Wiese. Für einen bekennenden Gourmet wie den Puffkaiser aber ist es die Hölle. Hätte er nicht den Baedeker verloren, und fände er ohne diesen aus der beständigen Nebelsuppe hinaus, die sich schon wieder über das Land gelegt hat, dann würde er bis zur Ankunft der Ivana einfach noch auf einen Sprung zum Bocuse nach Lyon hinüberfahren und dort vierzig Stück Schnecken verdrücken, wonach ihm nämlich nach all der Aufregung der Appetit stünde.
Stattdessen ist er gezwungen, mit diesem Bambiküsser Mallinger schlichte Bahnhofskost zu speisen, und der bestellt auch gleich ein Wiener Würstchen ohne Senf, ohne Krenn, ohne Ketchup, ohne Kirschpfefferoni – kurz: ohne allem, was ein wenig Spaß machen könnte, wenn man ein Wiener Würstchen essen muss! Der Todsünde der Völlerei, denkt sich der Schlevsky im Angesicht seines Gegenübers, ist dieser arme Wurm gewiss nicht verfallen, und er sieht sich ein paar Minuten lang an, wie der sein Würstchen häutet. „Praktisch denken – Särge schenken!“ Genau so ein Typ ist das, schüttelt der Schlevsky den Kopf, und er fragt sich, ob diese Niete wohl jemals Freude in seinem Leben empfindet?
Plötzlich übermannt den Puffkaiser ein Gefühl tiefen Mitleids mit einer so verschwendeten Existenz. Er blickt den Mallinger mit sanften Augen an und fragt sich: Gönnst du dir denn überhaupt nie etwas? Geißelst du dich am Abend, bevor du dich auf den nackten Betonboden deiner Garage wirfst, auf dem du ohne Zweifel schläfst? Siehst du dir im Internet den „Osservatore Romano“ an anstatt www.boxenluder.de? Blätterst du während des Morgenschisses in der Bibel anstatt in der „Bild“-Zeitung, und malst du anschließend Heiligenfiguren aufs Hinterglas? Bist du blutleerer Sack denn zu irgendeinem Exzess fähig?
Schon ist der Schlevsky versucht, ein Gebet für den Mallinger in Richtung Himmel zu schicken. Doch weil ihm keines einfällt, will er ihm wenigstens eine kleine Lehrstunde in Sachen savoir vivre erteilen, bevor er hoffentlich bald anfangen wird, der Ivana Deutsch-Nachhilfe zu geben. Zur Demonstration wahrer und ungetrübter Sinnenfreuden bestellt er sich das große Würstel-Allerlei (vier Burenwürste, vier Käsekrainer, drei Bosner, sechs Currywürste, sechs Bratwürstel, sieben ungarische Paprikawürste) inklusive jeweils ein Kilo Beilage samt einer Extraportion Fett satt, im sicheren Wissen, dadurch dem ohnehin allzu kurzen Leben wieder ein Stück unbezahlbares Glück abzuringen. Ein kulinarischer Höhepunkt, von dem er noch seinen Enkeln erzählen könnte – wenn er denn welche hätte!
Als er aber das rotbackige, fetthaarige, überhaupt fette und insgesamt total hässliche Kind am Rock der völlig überforderten rotbackigen, fetthaarigen, fetten und überhaupt total hässlichen Kellnerin hängen sieht, die seine Bestellung aufgenommen hat, ist er wieder ganz froh, dass er sich mit 20 Jahren im Zuge einer Wette mit seinem Rivalen Tony „Die Zunge“ Stompanato selbst die Samenleiter durchtrennt hat. Eine Wette, erzählt er nun stolz dem Mallinger, während er anfängt, das Würstel-Allerlei in sich hineinzuschaufeln, eine Wette, die natürlich auch schlecht hätte ausgehen können, gewiss! Letztlich hat er aber wie alle anderen Wetten auch diese gewonnen, lebenslängliche Unfruchtbarkeit als Preis freilich inklusive! Und wenn er heute daran denkt, geht selbst ihm noch ein Furz in die lange Unterhose, der sich gewaschen hat. Schließlich war er nie ein Feinmotoriker mit den Händen, und schließlich ist ein Butterflymesser kein Chirurgenskalpell. Doch mit dem Sieg bei dieser Wette – und weil er Tony Stompanato als Draufgabe auch gleich noch „die Zunge“ herausgeschnitten hat – konnte er sich dessen
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