Lebensabende & Blutbaeder
Ausseerland präsentiert sich der Ausflugsgemeinschaft als sorgfältig gepflegter Lustgarten des Paradieses, während der Schlevsky ordentlich Gummi gibt und den Ferrari noch ein Stück ambitionierter als bei der Hinfahrt über die Bundesstraßen zurück nach Aussee jagt, wobei er die Straßenverkehrsordnung links liegen lässt, was einigen anderen Verkehrsteilnehmern gar nicht gut bekommt:
Das junge Rehkitz sowie die alte Wildsau, die der Schlevsky gerade über den Haufen fährt – sie hätten ja ausweichen können! Der arme Bauer, den er gleich darauf mit seinem Traktor in den Straßengraben hinunter drängt – er hätte ihn ja nicht aufhalten müssen!
Dem pflichtbewussten Grasmuck aber, den man auf Sissi Voss umtaufen möchte, weil er gerade wieder mit zwei Schutzbefohlenen von der Straßenmeisterei den Sankt Christophorus in sinnloser Detailarbeit aus dem Mischwald herunterholt (summa summarum Crash Nummero 36 im heurigen Jahr, danke!) und ihn wieder dort aufstellt, wo er hingehört, dem steckt der Schlevsky mit ausgesuchter Höflichkeit einen Euro fuffzig als Spende für die heilige Mutter Kirche zu. Er ist nun schon wieder deutlich besser aufgelegt als gerade noch vorhin am Bahnhof in Nang-Pu.
Der Mallinger schläft einstweilen.
Die vergangene Nacht, diese grausame, und die sauerstoffgesättigte Luft, diese gesunde, haben ihn in einen sanften, wenn auch extrem unangenehmen Schlummer auf der Rückbank des Ferrari entgleiten lassen. Er fügt sich in die Rolle des Gunter Philipp, der im Heimatfilm immer nur den Trauzeugen spielen darf, während der Schlevsky in die Rolle des jugendlichen Verführers und wilden Draufgängers schlüpft, die immer dem Peter Alexander Vorbehalten blieb.
Solange er den Mallinger schnarchen hört, will der Puffkaiser getrost seine Schalthand anstatt auf den Schaltknüppel auf die Venusgrotte der Ivana legen. Und die Tingeltangel-Ivana soll ihrerseits die Zuckerwatteverkaufshand auf seinen Knüppel legen, aber nicht auf den Schaltknüppel, sondern auf den Tigerknüppel!
Die Landschaft ist so viel schöner als dieser Mann, muss die Ivana nun bei erster näherer Betrachtung des Schlevsky feststellen. Und es fällt ihr unangenehm auf, wie alt der schon ist. Um die Augen kriegt er bereits Krähenfüße, muss sie feststellen, und hässliche Altersflecken zieren seine Hände.
Da war der Pavel aber schöner, erinnert sich die Ivana wehmütig an ihre große Liebe Pavel, doch der ist ja leider schon lange tot. Und nach all ihren leidvollen Erfahrungen im deutschen Osten weiß sie heute nur zu gut, dass sie vom gütigen Schicksal nicht in die mit Goldsand ausgelegte Kristallbucht der Superreichen gespült wurde. Als Ostflüchtling muss sie dankbar sein, wenn sie einer aus der Armutsfalle befreit und ihr einen Job anbietet. Und im Vergleich zu ihrem alten Großmütterchen, das mit ihren bald 118 Jahren noch immer Krautköpfe in einer aufgelassenen Kolchose unten bei Rostow am Don pflücken muss, um sich das tägliche harte Brot unter die unleistbare Butter zu verdienen, hat sie es vielleicht mit dem Herrn Doktor in seinem weißen Anzug und seinem roten Ferrari gar nicht so schlecht erwischt.
Wenn er nur endlich aufhören würde, an seinen Zähnen herumzusaugen!
Doch steigert sich der Schlevsky im Gegenteil wegen all der fasrigen Fettreste des Würstel-Allerleis in seinen Zahnzwischenräumen immer weiter in einen desto aussichtsloseren Kampf, je verzweifelter er diesen führt. So sehr er auch mit der Zunge, den Fingern einzeln, der Hand im Ganzen und schlussendlich mit den verschweißten Enden der Schuhbänder seiner Wanderschuhe – Zahnstocher lehnt er aus Prinzip als schwul ab! – darin herummeißelt, er bekommt diese verdammten Fettbrocken einfach nicht heraus!
Das wiederum zwingt die Ivana, sich in Gedanken schon den breiten Gehweg auszumalen, der sie auf ihren 17-cm-Stilettos kerzengerade Richtung Tod einer schwierigen, vielleicht sogar von Anfang an aussichtslosen Episode führen wird.
Schon bereut die Ivana, dass sie ihre heiße Affäre mit dem Tschu En Lei nicht verwandt nicht verschwägert in Strudelwasser a.d.O. für diesen alternden Landarzt aufgegeben hat, und der kleine Kobold Zweifel nagt an ihrem hübschen Ohr:
„Kann es sein, dass du überhaupt einem grandiosen Irrtum aufgegessen bist?“
Was genau ist denn der überhaupt für ein Arzt?, fragt sie sich. Zahnarzt und Tierarzt und Frauenarzt schließt sie nach dem während der Fahrt Erlebten aus.
Seine rechte
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