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Lebensabende & Blutbaeder

Lebensabende & Blutbaeder

Titel: Lebensabende & Blutbaeder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Rebhandl
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Renner aus Maranello Felgen aus Magnesium samt Radnaben aus Titan, und die wuchtigen Einlassöffnungen für den Kühler machen aus dem ohnehin gewaltigen Brummer einen brünftigen Stier. Als der Mallinger den Wagen ehrfurchtsvoll betrachtet und mit der Hand über den mächtigen Heckflügel streicht, läuft ihm bereits das Wasser im Mund zusammen, denn mit einem F50 kann selbst die Heilige Maria samt ihrer ganzen einmaligen Aura nicht wirklich mithalten, muss er sich eingestehen.
    Sofort spürt er das Kribbeln wieder in seinem Bleifuss, und er beginnt am ganzen Körper zu zittern. Kurz überlegt er, ob er nicht besser vor diesem Werk des Teufels fliehen soll, weil ihn eine böse Ahnung beschleicht, dass es wieder nicht gut ausgehen wird, wenn er so eine Höllenmaschine besteigt. Doch zu spät: Ehrfurchtsvoll nimmt der Mallinger im tiefer gelegten Sitz der tiefer gelegten Karosserie neben dem reichlich tief gelegten Charakter des Schlevsky Platz, und ebenso ehrfurchtsvoll murmelt er in seinen Bart hinein:
    „Wawarumm! Wawarumm!“
    „Alles klar?“, fragt der Schlevsky irritiert.
    Schon beschleunigt der Puffkaiser den Boliden auf hundert Sachen, kaum dass er ihn mit einem satten Donner gestartet hat, und schon sieht der Mallinger die Tachonadel bei 150 zittern, kaum dass er auf die Uferpromenade hinaus biegt. Das gefällt dem Mallinger und imponiert ihm sehr, denn seine heimliche – und leider unausgelebte – Leidenschaft ist nach wie vor der PS-starke Einspritzmotor.
    Als ihm schließlich der eiskalte Fahrtwind im offenen Ferrari die blassen Wangen rot färbt; als es ihn hineindrückt in den Schalensitz wie den Astronauten beim Start in seine Raumkapsel; als der Tiger endlich das Ortsgebiet hinter sich lässt und mit 220 auf die Bundesstraße in Richtung Goisern hinaus biegt, da hat der Rausch der Geschwindigkeit den Mallinger wieder fest im Klammergriff, und er kommt sich vor wie der junge Niki Lauda, wild, ungestüm, ein Weiberheld durch und durch. Insgeheim überlegt er bereits, wo er auf dem Armaturenbrett die Marienmedaille anbringen würde und wo an der Mittelkonsole der heilige Christophorus platziert sein müsste, wenn er denn mit diesem Boliden einmal selbst die Kompression an der Abzweigung nach Goisern durchbrettern könnte, als der Schlevsky bereits am St.-Christophorus-Marterl vorbeijagt und dieses einige größere Steinchen vom Straßenbankett abbekommt, weil der Schlevsky natürlich keine Begrenzung kennt und die Straße in ihrer vollen Breite und darüber hinaus nützt.
    „Wawarumm!“
    Schnell merkt der Schlevsky, wie ihm der Mallinger an seiner Seite langsam auf den Sack geht, weil dieser auf dem Beifahrersitz wie ein 5Jähriger jedes seiner Manöver mit ganzem Körpereinsatz nicht nur mitlebt, sondern virtuell sogar ständig dagegenlenkt, immer früher als er selbst schaltet und später als er selbst bremst und dabei insgesamt so tut, als würde er – Herrgottnocheinmal! — den roten Renner aus Maranello besser lenken können als er!
    Schon nach wenigen Fahrminuten hält der Schlevsky diesen Simple an seiner Seite nur sehr schwer aus, und er fragt sich bereits, ob es wirklich eine gute Idee war, dass er nach all dem Chaos in Strudelwasser an der Scheiß-Oder ausgerechnet diesen Zuckerarsch über das schlichte House-Sitting hinaus in sein Leben hereingeholt hat, denn:
    Wenn dieser Schafskopf noch einmal „Wawarumm“ sagt, reißt er ihm den Schädel ab!
    Endlich in Nang-Pu angekommen, schickt der Schlevsky den Mallinger sofort zum Bahnhofsvorstand, damit er ihn erstens von seinem Ferrari wegbekommt, den er nicht aufhören will zu berühren, und er zweitens bei diesem nachfragt, wann denn der verdammte Zug aus Berlin nun endlich kommen wird, bald ist es nämlich halb elf vorbei!
    Als ihm der Mallinger schließlich meldet, dass der Zug drei Stunden plus tard ist, fehlt nicht mehr viel, und der Schlevsky hätte nicht übel Lust, den Mallinger in die Bahnhofsvorsteherbude hineinzuschießen, wie er dies erst vor ein paar Tagen mit diesem verdammten Tschu En Lei, nicht verwandt nicht verschwägert, in Strudelwasser an der Oder getan hat.
    So was von scheißkalt ist es obendrein in dieser Alpenrepublik, dass er nun sogar gezwungen ist, mit seiner Herrenhandtasche auf das in Biermösel‘schen Dimensionen versaute Bahnhofsscheißhaus zu verschwinden und sich dort im Münzklo noch einmal die lange Unterhose anzuziehen, er hält diese verdammte Kälte einfach nicht aus! Kann gut sein, denkt er sich mit

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