Lebensabende & Blutbaeder
Puffkaiserreich einverleiben. Und den ständigen Ärger mit den verdammten Kindern hat er sich obendrein erspart, wenigstens den.
Als sich die drei zähen Stunden, von denen er die restlichen zwei auf dem Klo verbracht hat, weil er mit dem Mallinger einfach nichts mehr zu reden wusste, endlich ihrem Ende zuneigen, lässt sich der Schlevsky von der rotbackigen Fett-Kellnerin den Rest des großen Würstel-Allerlei einpacken. Schließlich steht heute noch ein Candlelight-Dinner auf dem Programm, und soweit er seine Lage noch irgendwie überblicken kann, hat er bestimmt nichts Ordentliches zu Futtern in seinem Kühlschrank oben im Flachdachrefugium.
Dann endlich die Ivana!
Ein sechs Stunden verspäteter Personenzug, da sind sich der Schlevsky und der Mallinger ausnahmsweise einmal einig, ist natürlich eine Schande für eine so wertvolle Fracht. Und augenblicklich ärgert sich der Schlevsky, dass er für sie nicht doch den Orientexpress gechartert hat. (Hat er natürlich auch schon einmal, den Orientexpress gechartert! Er und die Jocy ganz alleine in diesem Juwel der Eisenbahngeschichte, Berlin-Stambul tour-retour. Und weil sie damals im Frühling ihrer Ehe waren, hat das Personal den Orientexpress nach ihrer Rückkehr sofort in Orgienexpress umbenannt, hähä, so und nicht anders war das damals!)
Nun wird es freilich eng im F50! Kofferraumtechnisch ist dieser Bolide nämlich nicht besser ausgestattet als ein Katzenklo. Und so versteht es sich aus der Sicht des Schlevsky von selbst, dass der Mallinger in dieser Konstellation den Platz auf der Rückbank zugelost bekommt, während er selbst und die blonde Russin vorne Platz nehmen, die Sitzverteilung muss schließlich stimmen, wenn man eine Überlandfahrt antritt.
Bevor der Schlevsky aber einen Kavaliersstart hinlegt, zerrt er den Mallinger zwischen all den Taschen und Koffern und Säcken, unter denen er ihn zuvor begraben hat, noch einmal nach vor und trägt ihm mit entschlossenem Blick auf, sofort mit dem Unterricht zu beginnen und der Ivana das erste deutsche Verbum in all seinen Möglichkeiten herunterzukonjugieren, „also, Mallinger. Fang an!“
Da fängt der Mallinger an und sagt:
„Ich komme. Du kommst. Er sie es kommt. Wir kommen. Ihr Kommt. Sie kommen“, und dann fügt er noch hinzu:
„Du verstehen?“
In das peinliche Schweigen hinein, welches auf diese erste Deutsch-Lektion im Leben der Ivana folgt, zerreißt es den Schlevsky endlich doch noch vor Lachen. Ihm personifiziert Sexuellen steht nämlich sofort das Schweinische an „Sie kommt“ bildlich vor Augen, als er die Ivana neben sich in ihrer ganzen blonden Herrlichkeit anschaut und sich vorstellt, wie sie heute Abend bei ihm auf dem Tigerfellbezug sozusagen „kommen“ wird.
Weil das aber im Wortschatz des Quasi-Heiligen Mallinger noch nicht eingetragen war, dass eine Frau „kommt“, wenn sie im Glutofen der Lust dahinschmilzt, kommt er sich erst recht wieder wie der unnötige Esel im Stall zu Bethlehem vor, als der Sex-Insider Schlevsky einfach nicht mehr aufhören will zu lachen.
Da flüstert er beleidigt in seinen Bart hinein:
„Wawarumm! Meine Zeit kommt noch!“
Nang-Pu retour
Die Fahrt zurück dann aber – herrlich! Ein Wetterchen zum Eierlegen! Die Wolkendecke hat zur höheren Ehre der neu Zugereisten vorübergehend aufgerissen, und die Sonne zeigt zu deren Begrüßung ihr schönstes Perlweiß-Lächeln. Dazu singen die Vögelchen in den Bäumen am Waldesrand wie früher der junge Heintje, unschuldig und engelsgleich, süßer die Vögel nie klangen.
Strudelwasser oder überhaupt die ganze Gegend dort dies- und jenseits der Oder kannst du vergessen im Vergleich zu dieser wild-romantischen Landschaft, denkt die Ivana sogleich auf Russisch, während sie mit verträumtem Blick die vorbeiziehende Flora und Fauna betrachtet. So etwas Einmaliges wie dieses herrliche Land hat sie in ihrem ganzen Leben noch nicht gesehen! Eine Landschaft breitet sich vor ihr aus, die gleichermaßen ein Balsam für das Auge wie für das Gemüt ist. Ihre Blicke streichen über die satten Wiesen und die fruchtbaren Felder – hurra! Sie sieht majestätische Bäume und kristallklare Bäche — vallera! Und all die hohen Berge und tiefen Täler — juchheissassa!
(Kleiner Wermutstropfen vielleicht, dass die Reise Richtung Schicksal geht. Aber wer weiß das schon in diesem Augenblick? Also ist das Fahrvergnügen noch ungetrübt. Jedenfalls in der vorderen Sitzreihe. Zumindest auf der Fahrerseite.)
Das
Weitere Kostenlose Bücher