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Lebensabende & Blutbaeder

Lebensabende & Blutbaeder

Titel: Lebensabende & Blutbaeder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Rebhandl
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weil sterben will keiner so einfach. Und jeder kann nur zu gut die Glock in seinem Halfter sehen, wie der Biermösel jetzt immer noch ein Stück breitbeiniger bei der Ausschank steht und den Wetterfleck zur Seite schiebt wie der Client Eastwood den Poncho.
    Die Roswitha füllt ihm die Gläser und hofft inständig, dass trotz fehlender Gleitsichtbrille alles gut ausgehen wird. Der Biermösel greift mit der gewissen Entschlossenheit ein Glas nach dem anderen, hebt es, schaut es an, schaut die Runde an, fixiert einen jeden der Anwesenden mit dem stechenden Blick, und dann kippt er den Schnaps hinunter, ruckzuck, den ersten, den fünften, dann endlich den zehnten.
    Jetzt, wo er die nötige ruhige Hand hat, nickt er langsam und stoisch, und die Roswitha schenkt ihm noch einen letzten ein, diesmal in ein 2-cl-Glas. Sie stellt es ihm auf die Ausschank. Dann schaut der Biermösel den Wirten von der Mühle an und schüttet sich den Schnaps hinter den Zaun. Der Wirt von der Mühle kennt den Biermösel jetzt auch gut genug, um zu wissen, dass er seinen Rotzbuben, der neben ihm sitzt, jetzt vorschicken muss, damit der Biermösel an ihm ein Exempel statuieren kann und sich wieder halbwegs beruhigt, Heilige Maria hilf!
    Der kleine Willi geht – zitternd wie ein Lammschweif, die Hose gestrichen voll, mit dem dringenden Wunsch, nie geboren worden zu sein – hin zur Ausschank. Dort empfängt ihn der immense Klammergriff der Biermösel‘schen Pranke um sein Genick. Dann packt er unter Höllenschmerzen das Schnapsglas in seine zitternde Hand und geht mit dem Leergebinde vor, hinaus Richtung Schießstand, der hinter dem Auerhahn liegt und auf dem der Buchenscheiterstoß steht.
    Eine Stimmung hängt jetzt über dem Ausseerland, wie damals im Wilden Westen um zwölf Uhr mittags, eine sehr gespannte Stimmung. Der Biermösel pfeift wie der Herr nach dem Lumpi, und sofort parieren alle am Stammtisch und rennen ihm nach. Mit seinen geschulten Lauschwerkzeugen kann er das eine oder andere Stoßgebet vernehmen, und er ist es zufrieden.
    Der Willi hat sich schon in hundert Meter Entfernung aufgestellt, wie der versammelte Stammtisch im Schlepptau vom Biermösel herauskommt. Der Rotzbub hat sich das Glas auf den Schädel gestellt und hofft mit zusammengekniffenen Augen, dass es schnell gehen möge. Da stellt sich der Biermösel breitbeinigst in den Schlamm und lässt die Arme in der gewissen Art entspannt am Körper baumeln, die seine absolute Bereitschaft signalisiert, locker und immer lockererer baumeln die Arme. Dann schaut der Biermösel die Wirten aus den gewissen Augenwinkeln heraus an, und jeder versteht, was er mit diesem Blick sagen will:
    WER?
    Aber es kommt keine Antwort.
    Noch ziehen sie es alle vor, feige in der Tiefe von ihrem Lügengebäude zu verharren. Noch glauben sie, dass sie so seinem Zugriff entkommen.
    Da weiß der Biermösel sofort, dass er heute mit der bloßen Andeutung von der Pädagogik nicht weit kommen wird, er wird sie schon zu Ende führen müssen. Und obwohl es schon ziemlich dumper geworden ist, reißt er auf einmal die Glock mit einer immens schnellen Bewegung aus seinem Halfter, schraubt sich mit einem dreifachen Kreisel in den nassen Lehmboden hinein und feuert schließlich aus der Hüfte heraus das Glas vom Schädel vom kleinen Willi, der in der Folge wie ein Sack nach vorne fällt, mit dem Gesicht hinein in den kalten Dreck, ohnmächtig bis dort hinaus.
    Der Schusshall verteilt sich im angrenzenden Wald und verstummt schließlich ganz, bevor der Biermösel die Glock langsam wieder in seinen Halfter zurücksteckt. Dann ist es still, und nur das Schlagen von der Uhr aus der Wirtsstube heraus kündet vom Verstreichen der Zeit.
    Der Biermösel greift nach den Johnny in seiner Brusttasche und nach dem Feuerzeug, und er zündet sich eine an. Langsam, stoisch, ohne unnötige Hast, komplett mit sich im Reinen, sodass ein jeder sehen kann:
    Der Biermösel ist der Herrscher über die Zeit, der Zuchtmeister der Fehlgeleiteten. Und ein jeder soll verstehen: Er wird sich heute keinen Haxen mehr ausreißen und keinen Stress machen wegen der Rotzbubenproblematik, er nicht. Jedoch soll sich auch ein jeder von ihnen über eines im Klaren sein: Wenn die zwei Rotzbuben nicht bis übermorgen, zwölf Uhr mittags, verschnürt und mit einem schriftlichen und unterfertigten Geständnis bei ihm oben am Gendarmerieposten abgeliefert werden, kann sich ein jeder mit einer Mindestphantasie ausmalen, was der Biermösel herüber in

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