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Lebensabende & Blutbaeder

Lebensabende & Blutbaeder

Titel: Lebensabende & Blutbaeder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Rebhandl
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Anblick vielleicht nicht überlebt. Er sieht:
    Das Bundesverdienstkreuz am Revers von seinem speckigen Sakko des Alten, wenigstens das haben sie ihm noch nicht weggenommen. Und auch das Konterfei vom Kreisky trägt er noch auf seiner Anstecknadel, den Kreisky hat er immer so gerne mögen.
    Aber sonst?
    Die haben ihm ja fast alles weggeschnitten! Viel ist jedenfalls nicht mehr übrig geblieben vom eigenen Fleisch und Blut.
    So steht der Biermösel also vor dem alten Biermösel. Und im Angesicht von diesem Niedergang, der dem Originaladler die Flügel ganz gewaltig gestutzt hat, mag dem Biermösel gar nicht mehr einfallen, warum er jetzt eigentlich gekommen ist. Er fragt sich vielmehr, ob das überhaupt der alte Biermösel ist mit den zwei schwarzen Piratenaugenbinden im Gesicht.
    Da wünscht er sich, dass der Alte seine Anwesenheit vielleicht nicht bemerkt und er sich samtpfötig und für immer davonschleichen könnte, weil so einem Niedergang natürlich kein Mensch gerne zuschaut.
    Da aber fragt der alte Biermösel auf einmal in die Stille hinein und ohne dass er seinen Rotzbuben zuvor überhaupt begrüßt hätte:
    „Verträgt denn die Roswitha die neue Salbe?“
    Wenigstens reden kann er noch, keimt leise Hoffnung im Biermösel, dass beim Alten doch noch nicht Hopfen und Malz verloren ist. Wenigstens die Zunge haben sie ihm noch nicht herausgeschnitten!
    Dass der Alte aber gleich so ins Persönliche geht, wenn er mit ihm redet, das hat der Biermösel dann auch noch nie erlebt. Geredet hat er nämlich nie viel mit ihm. Lieber hat er ihm Zuckerbrot und Peitsche verabreicht, als dass er viel mit ihm geredet hätte. Die Gnackwatsche war seine Peitsche bei Böse-Sein, ein kleines Bier war sein Zuckerbrot bei Brav-Sein.
    Oft in seiner Kindheit hat der Biermösel geglaubt, dass er die ewigen vier Wände drüben in Ischl noch vor der Erstkommunion beziehen wird, wenn die Pranke vom Alten auf ihn niedergedonnert ist. Was seine Halswirbel heute noch zusammenhält, das weiß auch der Doktor Krisper nicht. Vielleicht ist es ja doch das Bratlfett.
    Die neue Salbe jedenfalls, von welcher der Alte jetzt redet, die hat der Biermösel natürlich schon längst auf den Oberschenkeln und dem Gesäß von der Roswitha verteilt. Und dass sie geholfen hätte, kann er eigentlich nicht behaupten, nicht einmal als Notlüge. Aber dass er ihm jetzt erzählt, wie hundselendig sich der Ausschlag von der Roswitha ständig noch weiter ausbreitet, und wie er sich schön langsam über das gesamte Hinterteil und das breite Kreuz hinauf bis zu den fleischigen Schultern verteilt und er von dort über die schwabbeligen Fettarme wieder herunter läuft dorthin, von wo das ganze brennende Übel seinen Ausgang nimmt, das will er dem Alten gerne ersparen. Das im Detail zu schildern und als Problem auszuwalzen wäre eine schlichte Angeberei angesichts der Probleme, in denen der Alte selber steckt. So ein schwerer Ausschlag ist ein leichter Heuschnupfen gegen den Krankenbefund vom alten Biermösel. Dagegen sind ja sogar seine eigenen Probleme unten herum ein Fest des Lebens.
    Nur dass er schön langsam wirklich aufs Klo müsste. Also fragt er den Alten:
    „Geh Papa. Wo ist denn da das Klo?“
    Aber wie der alte Biermösel nicht reagiert, merkt der Biermösel, dass der Alte nicht nur komplett blind ist, sondern auch halbkomplett taub, und er fragt sich:
    Bleibt ihm denn gar nichts erspart?
    Wenn der Adler doch bald landen könnte, drüben in Ischl, wo die ewigen vier Wände auf ihn warten, wünscht sich der Biermösel jetzt, wie er seine Pranke in die vom alten Biermösel hineinlegt, die noch ein Eckhaus größer ist als seine eigene. Wenigstens die zwei Totschläger haben sie ihm noch nicht abgeschnitten, denkt sich der Biermösel wehmütig. Die zwei Klodeckelhände, mit denen der alten Biermösel das Biermösel-Baby immer in die Luft geschleudert und wieder gefangen hat (meistens jedenfalls), oft genug fünfzig Meter in die Höhe, so dass er geglaubt hat, er streift den Kometen. Die riesigen Pratzen mit den riesigen Fingern, aus denen er das erste Stück vom Schweinsbraterl empfangen hat wie das Vogerl im Nest den Wurm. Die starken und sicheren Hände, die ihm immer den Weg gewiesen haben. Und auch wenn sein Weg bisher vielleicht nicht nur mit Höhepunkten und Glücksmomenten gepflastert war:
    Dass er der Bub vom alten Biermösel ist, das treibt ihm jetzt gewaltig die Tränen in die Augen, so stolz ist er darauf, und gleichzeitig macht es ihn so

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