Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lebensabende & Blutbaeder

Lebensabende & Blutbaeder

Titel: Lebensabende & Blutbaeder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Rebhandl
Vom Netzwerk:
hilflos.
    Auf einmal zieht ihn der Alte mit seiner Pranke zu sich herunter, Kopf an Kopf steht er vor ihm, Mund an Ohr, und er lässt ihn nicht mehr los.
    Da muss der Biermösel nur noch lauter schluchzen, sodass sich nach und nach die ganze Belegschaft vom Siechenheim einfindet und sich im Kreis um den Alten und den Biermösel herum aufstellt.
    Dann nimmt ein jeder den neben sich an der Hand, wie im Hochamt beim Friedensgruß stehen sie da. Ein jeder spürt die Wärme von seinem Nachbarn, und das tut so gut im Alter, wenn man sonst nichts und niemanden mehr hat, so gut tut das im Alter.
    Und wie sie eh schon alle zusammen furchtbar nasse Augen haben, sodass es zum Herzzerreißen ist, fängt der Grasmuck aus dem Nichts heraus auch noch „Wahre Freundschaft soll nicht wanken“ zum Singen an, der Gefühlsmensch! Und da stehen sie dann überhaupt alle bis zu den Knöcheln im Sturzbach, der sich aus den alten Augen ergießt, ein herrliches letztes Gemeinschaftserlebnis im Angesicht vom unausweichlichen Niedergang ist das.
    In diesem Augenblick täten die meisten von ihnen wahrscheinlich am liebsten sterben, weil sie etwas viel Schöneres nicht mehr erleben werden da herüben im Siechenheim in Goisern.
    Der Alte aber will den Biermösel gar nicht mehr loslassen. Er will ihn gar nicht mehr hergeben. Er drückt ihn immer nur noch stärker an sich mit seiner gewaltigen Pranke, und der Biermösel hat das starke Gefühl, dass er ihm vielleicht was auf seinen Weg mitgeben will. Ein Vermächtnis womöglich oder einen Tipp für die Ermittlungen. Oder vielleicht gar einen Hinweis, wo seine Ersparnisse liegen?
    Aber wie sich der Biermösel endlich aus dem Klammergriff vom Biermösel befreien kann, fragt der nur:
    „Verträgt denn der Kreisky den Herzschrittmacher?“
    Da wird dem Biermösel schlagartig klar, wie lange er den Alten schon nicht mehr besucht hat, und er schämt sich so fürchterlich, dass er ihn einfach loslässt und geht, ohne dass er noch einmal zurückschaut.
    Aber es gibt ja eh nichts, was zum Anschauen sich lohnen täte.

12 Uhr mittags
    Dass es so dahingehen muss mit dem Menschenleben!
    Dass es ein solches Dahinsiechen ist, wenn man im Lebensabend steht! Das ist dann schon furchtbar.
    Der Biermösel kann die Tränen kaum bändigen, wie er auf der Fips im strikten Regen wieder heimfährt nach Aussee herüber. Wer weiß denn schon, sinniert er wehmütig, wie oft er den Alten noch sehen wird? Ob er noch drüben sein wird, wenn er selbst mit dem Grasmuck ins Zweibettzimmer einziehen muss, weil er die Abzweigung in Richtung erfülltes und glückliches Leben endgültig nicht mehr gekriegt hat? Wird er sich anhören müssen, wie der Alte aus der Nachbarkammer das letzte Gramm von seiner Lunge heraushustet, und wird er sich vielleicht sogar live mit anschauen müssen, wie sie ihm die Arme auch noch abschneiden, dann die Ohren, das Kinn, die Nase, am Ende überhaupt den Schädel?
    Muss es denn wirklich immer am schlimmsten enden? Gibt es denn gar nichts, was man mitnehmen könnte hinüber zum Herrgott, wenn es denn so weit ist?
    Vielleicht, denkt sich der Biermösel in der gewissen aerodynamischen Haltung, die er wieder eingenommen hat, vielleicht bleibt ja der Katalog seiner Ermittlungstechniken als Vermächtnis, den er allzu lange vor sich hergeschoben hat, ohne dass er auf ihn zurückgegriffen oder ihn geöffnet hätte. Viel früher schon hätte er beherzigen sollen, was der alte Biermösel ihm an Ratschlägen in diesen Katalog hineingeschrieben hat, nämlich:
    Die Liebe kommt immer vor dem Blutbad!
    Oder: Stille Wasser sind immer still!
    Oder: Trau keinem über drei, vier!
    Oder und vor allem: Wenn einer nicht freiwillig mit dem Geständnis herausrückt, dann musst du ihn selbst mit der Androhung von glühenden Zangen dazu bringen, weil der Mensch halt so gebaut ist, dass er freiwillig gar nichts herausrückt, schon gar kein Geständnis!
    Dieser Ratschlag fällt dem Biermösel jetzt wieder ein, wo er an glühende Zangen denkt, weil die Kälte ihn ummantelt wie der Iglu den Eskimo. Und wie er jetzt hineinbiegt zum Auerhahn und hinten herumfährt auf den Buchenscheiterturm zu, und wie es wieder kracht und er mit seiner Stirnseite die ganze Energie abfängt, die bei so einem Einschlag halt unweigerlich frei wird, da ist er auf einmal wieder vollends nüchtern, und er weiß endlich, wie er die Täter aus dem Bau locken wird, in dem sie sich versteckt halten, jetzt weiß er es endlich!
    An der Art, wie der Biermösel

Weitere Kostenlose Bücher