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Lebensabende & Blutbaeder

Lebensabende & Blutbaeder

Titel: Lebensabende & Blutbaeder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Rebhandl
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die Wirtsstube betritt – wie der gefährliche Bruder vom John Wayne nämlich –, erinnert sich die versammelte Prominenz am Stammtisch natürlich sofort wieder an die Art, wie der alte Biermösel früher immer die Wirtsstube betreten hat, wenn ihm die Klärung von einem Verbrechen unter den Nägeln gebrannt hat. Wie der psychisch labile Bruder vom King Kong ist der immer hereingekommen, erinnern sich die Älteren unter ihnen, da ist ja der Biermösel ein Waisenknabe dagegen!
    Die gewisse Wirkung freilich, die verfehlt auch der Biermösel nicht. Wie er jetzt in die Wirtsstube schaut, entschlossen, verkniffen und böse, da weiß sofort ein jeder, dass jetzt die seit Generationen gefürchtete Biermöselsche Extra-Spezial-Pädagogik (BESP) auf dem Programm steht, da legen alle miteinander die Ohren an.
    Die BESP geht von der folgenden unverrückbaren Wahrheit aus: Bevor das Böse freiwillig zum Guten kommt, kriegt der Derrick einen neuen Harry. Daher lautet der erste Lehrsatz der BESP im Groben:
    Wenn der Unhold (der Drückeberger, der Räuber, der Dieb, das Gfrast, der Rotzbub – kurz: das Böse) nicht freiwillig zum Biermösel (kurz: das Gute) kommt, muss das Ordnungsorgan den Täter gewaltig verunsichern, ihm auf den Pelz rücken, ihm auf die Zehen treten, ihn unter Druck setzen, bis er die Nerven wegschmeißt und einen Fehler macht. Jedenfalls ihn so sehr einschüchtern, bis er einfach nicht mehr aufhört zum Zittern. Und bis jetzt hat die Menschheit noch keinen verlässlicheren Auslöser für das Zittern gefunden als die Angst, die nackte Angst vorm Biermösel.
    Der Biermösel gibt also deutlich zu verstehen, dass er heute noch im Dienst ist, wie er sich an die Ausschank stellt, anstatt direkt zum Futtertrog zu wandern und sich aufs Schafwollpolsterl zu setzen.
    Dort an der Ausschank steht er breitbeinig und immer breitbeiniger, und von dort aus schaut er in der gewissen Weise provokant und herausfordernd mit zusammengekniffenen Adleraugen (fast wie aus den geheimnisvollen und unergründlichen Schlitzaugen vom Mao Tse Tung nicht verwandt nicht verschwägert drüben vom Seebachwirten schaut er) hinüber zum Stammtisch, über dem natürlich jetzt die gewisse angespannte Ruhe liegt, seit die Gäste dort den Biermösel draußen mit der Fips gegen den Buchenscheiterholzstoß donnern gehört haben. Er hat sie jetzt alle direkt oder über den Umweg Spiegel im Auge und kombiniert in Hinblick auf die Rotzbubenproblematik folgendermaßen:
    Der Bürgermeister: ein würde-, aber auch kinderloser Geselle. Also keine Rotzbuben.
    Der Wirt von der Post: kein Kind aus erster Ehe. Ein Rotzbub herüben in Aussee aus zweiter unglücklicher Ehe. Drei Rotzbuben drüben in Goisern aus einer dritten, dramatisch gescheiterten Verbindung. Immerhin.
    Der Wirt vom Adlerhorst: fünf Rotzbuben von ein und derselben Gattin. Auch sie todunglücklich. Auch er.
    Der Wirt von der Mühle: vier Rotzmäderl (scheiden mit Sicherheit aus!). Ein Rotzbub Willi, der sogar jetzt mit am Stammtisch sitzt und schon säuft wie die Großen, obwohl noch ein Taferlklassler. Dem haftet das Unglück schon jetzt an wie der Kuh im Westernfilm das Brandzeichen, weiß der Biermösel. Aber leid tut er ihm nicht.
    Macht summa summarum zehn Rotzbuben, die er mehr oder weniger unter dringenden Tatverdacht stellen und unter Sperrfeuer nehmen muss, was soll er denn sonst tun?
    Die Roswitha hält augenblicklich inne, wie sie mit dem Schweinsbraterl durch die Schwenktür von der Küche herauskommt. Sie schaut auf die Uhr, die über der Ausschank hängt und brav tickt. Dabei hört sie den leisen Schlag vom Pendel, so still ist es jetzt, so gespannt ist die Ruhe. Die Roswitha bringt den Schweinsbraten auf Samtpfoten wieder zurück in die Küche und stellt sich dann heraus zum Biermösel an die Ausschank. Der nickt unmerklich mit dem Kopf und gibt ihr zweimal mit allen fünf Fingern von seiner rechten Hand ein Zeichen, langsam, fast stoisch. Die Roswitha versteht sofort und nickt zurück, auch langsam, aber nicht stoisch. Dafür ist sie zu nervös, weil sie weiß, was jetzt kommen wird.
    Auch die Falotten am Stammtisch wissen das und sind auch nervös. Sie schlucken und schwitzen, wie die Roswitha dem Biermösel 2 x 5 = 10 Schnapsgläser auf die Ausschank stellt, natürlich die 4-cl-Gläser. Die Dielen vom Holzboden knarren, wenn einer vom Stammtisch seine versteinerte Haltung minimalst ändert, weil er kurz daran denkt, zu flüchten. Aber es bleibt natürlich beim Gedanken,

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