Lebensbilder I (German Edition)
Bitterkeit, ein Männerhaß nachbleiben, und den würde ich schon entdecken! Wäre es vielleicht auch nur Eitelkeit, und will sie mit mütterlichen Sorgen und Pflichten ihre schöne Taille nicht verderben? Oder zwingt sie etwa eine körperliche Unvollkommenheit zur Tugend wider ihren Willen, oder dünkt sie sich zu stolz und gut, um irgendeinem Manne anzugehören? Kurz – so schloß er seine Rede – nichts existiert in der Welt ohne einen vernünftigen Grund, und diesen getraue ich mich, innerhalb acht Tagen zu eforschen. – Sie sehen, mit welchem Eifer er sich ans Werk machte, ja, ja, stille Wasser sind tief. Da sitzt er schon neben ihr in der Loge. – Aber wo sind sie denn geblieben?«
Rastignac schwieg. Ich glühte vor Scham und Zorn. »Trauen Sie mir dergleichen zu?« fragte ich die Fürstin russisch. Sie stand stolz und kalt, machte jetzt ein Geräusch und trat in den Vordergrund der Loge. Komplimente und Begrüßungen wurden gewechselt. Man erriet aus meinem Angesicht, daß wir alles gehört. Die Damen machten keinen Hehl aus dem Scherze des Herrn von Rastignac, wie sie es nannten. Dieser suchte, sich zu entschuldigen, Feodora aber versicherte: »Ich habe nichts gehört, und hätte ich etwas gehört, ich hätte nicht darauf geachtet, und hätte ich darauf geachtet, ich hätte Ihnen mein Haus verboten.« – Rastignac ward über und über rot, ich betete die Erhabene an.
Nach dem zweiten Akt begegnete er mir im Foyer.
»Einen angenehmen Auftritt hatte ich deinethalben!« sagte er empfindlich.
»Rastignac, ich habe Ursach, dir dankbar zu sein, doch was wirfst du dich in allen Stücken zu meinem Vormund auf?«
»Weil du ein Kind von schwacher Einsicht bist. Nach allem, was ich von Feodora dir gesagt, läßt du dich von ihr ins Theater schleppen, damit alle Welt erfahre, wie geduldig du an ihrem Triumphwagen ziehst. Denkst du, sie hätte aus einem anderen Grunde mit dir sich im Theater gezeigt, als um dort mit dir gesehen zu werden? Alle Welt wunderte sich darüber, den gekränkten, beleidigten Dichter neben seiner stolzen Feindin als dienenden Ritter zu sehen, und mußte ich diesen dummen Streich, weil ich dein Freund bin, nicht entschuldigen? Obendrein erscheinst du mit so unzweideutigen Blicken auf mich. Du hast mich kompromittiert, nicht Feodora!«
»Du magst recht haben!« erwiderte ich kleinlaut, »und ich habe mich von neuem in Feodora getäuscht. Dennoch solltest du mich nicht gewaltsam zu einem Spiele zwingen, zu dem ich mich nie verstehen kann.«
»Sie hat dich wohl ungemein huldvoll eingeladen, ihr Begleiter zu sein?«
»Ach!« seufzte ich und stampfte mit dem Fuße.
»So macht sie es stets, so ist sie im Anfang gegen jeden: die Liebe selbst, bis sie ihn auf den Punkt gebracht hat, sich zu erklären. Leb' wohl! ich bedaure dich und habe alle Lust verloren, dir ferner hilfreich beizustehen!«
»Sie haben mit Rastignac gesprochen?« fragte mich Feodora, als ich wieder in der Loge erschien.
»Ja!«
»Ich lese es in Ihren Mienen! Die Gespräche dieses Mannes bilden ganz eigene Züge in Ihrem Gesicht, ich habe dies schon öfter beobachtet.«
Die Vorstellung war zu Ende.
»Sie werden mich nach Hause begleiten!« sagte Feodora. Wir verabschiedeten uns und gingen.
Im Wagen war Feodora zerstreut und gedankenvoll. Fragen, die ich an sie richtete, wurden zerstreut oder verächtlich beantwortet, zum Teil auch überhört. Ich mußte von neuem zum Schweigen meine Zuflucht nehmen. – Wir kamen in ihrem Hotel an und setzten uns zum Kamin. Der Kammerdiener zündete die Wachskerzen an und ging. – Eine ziemliche Zeit nahm keiner von uns das Wort. Ich fühlte, daß es zu einer Erklärung kommen mußte, aber ihre Gesinnungen waren mir verdächtig geworden; wie heiß ich sie auch liebte: ich fühlte, daß meine Worte verschwendet sein würden. Feodora brach das Schweigen.
»Marquis! Ich habe eine gute Meinung von Ihnen und gestehe Ihnen daher: ich weiß, daß man gesucht hat, mich Ihnen verdächtig zu machen. – Wenden Sie nichts ein, Offenheit ist Ihnen angeboren, und Sie sind unfähig, sich zu verstellen! Ich achte Sie darum und, indem ich mich vor Ihnen zu rechtfertigen suche, gebe ich Ihnen den Beweis. Die Verleumdungen eines so lockeren Menschen wie Rastignac verachte ich und darf es. Hören Sie mich an: Seit ich in Frankreich bin, hat viele schon der Glanz meines Reichtums verlockt, dreist um meine Hand zu werben; ich habe Erklärungen erhalten, die meiner Eitelkeit schmeicheln dürfen, auch traf
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