Lebensbilder I (German Edition)
nicht so glücklich wie ich scheine! Diese Tränen eines schwachen Augenblickes weihen Sie in mein Geheimnis ein, vernehmen Sie daher, mein Schicksal droht, eine finstere Wendung zu nehmen, und mehr als je bedarf ich des Rates eines uneigennützigen Freundes. Außer Ihnen finde ich keinen in ganz Paris, und keiner ist in dem Grade wie Sie unfähig, Vertrauen zu mißbrauchen!«
»Ich darf mich rühmen, eines unbedingten Vertrauens wert zu sein.«
Feodora eröffnete mir jetzt ihre Lage. Ich wage nicht, dem Papier anzuvertrauen, was ich hörte; Folgendes nur mag genügen. Ihr Vater, der Fürst, hatte in einer verbrecherischen Angelegenheit den Unterhändler abgegeben. Der Plan ward verraten, und er bekam von einer hohen mitschuldigen Person die zeitige Warnung, alle Beweise zu vernichten und zu fliehen. Er sandte hierauf seine Tochter mit ansehnlichen Summen und Kostbarkeiten über die Grenze, er selbst aber zögerte, ihr zu folgen, unter dem Vorwande, seine Güter zu Gelde zu machen. Vermutlich aber hatte er ein zweideutiges Spiel getrieben; – eines Morgens fand man ihn ermordet in seinem Bette, all seine Schränke und Pulte waren erbrochen, und seine Papiere fehlten. Das Verbrechen war vereitelt, aber die Missetäter konnten nicht entdeckt werden, und alle Schuld fiel auf den Toten. Schon seit mehreren Jahren führte Feodora einen Prozeß mit der russischen Regierung. Er nahte sich seinem Ende und bedrohte sie mit Verlust des Vermögens, vielleicht auch der Freiheit.
Ich versprach, ihrer Angelegenheiten mich anzunehmen. Mein Lohn war ein sanfter Händedruck. Sie weinte, ich suchte, sie zu trösten. Wir kehrten heim, auf dem ganzen Wege ruhte ihre Hand in der meinen. Eine Unebenheit des Weges gab dem Wagen einen Stoß, sie sank auf mich, ich wagte es, sie zu umschlingen, weinend ruhte sie an meiner Brust.
Sie hatte mir ein großes Vertrauen bewiesen, hatte ihren Ruf, ihr Glück in meine Hände gelegt. Sie mußte mich um meines Geistes und meiner Geschicklichkeit willen achten, denn sie übertrug mir, woran die Künste von Zwanzigen schon gescheitert. – »Das alles vermag keine niedrige Seele!« sagte ich mir, so oft mein alter Argwohn erwachen wollte. Sie war schön und unglücklich, mithin mußte ich ihr helfen!
Ihre Angelegenheiten nahmen auf längere Zeit alle meine Kräfte in Anspruch. Ich führte wieder ein Leben wie bei meinem seligen Vater, ach, trauriger noch! Ich will nicht mein Studium fremder Rechte in Anschlag bringen, auch nicht die Qualen des Argwohns, aber erniedrigen mußte ich mich fast bei einem Besuche des Herzogs N–, meines Vetters. Er empfing mich mit jener kalten Höflichkeit, die an Beleidigung grenzt, sprach zweideutig von meinem künstlerischen Streben und spielte, in erheuchelter Teilnahme, auf meine Armut an, – der Mann, wie sollte er auch freundlich gegen mich sein, da er so manches Unrechtes gegen mich sich bewußt war! – wie es so in der Welt ist. Verwandte gegen Anverwandte! Ich klagte Feodoren alles.
»Ertragen Sie es mir zuliebe!« flehte sie mit einem unbeschreiblichen Blicke.
Der Herzog von N– erschien. Es war am Tage, wo ich die erste glückliche Hoffnung ihr gebracht. Daß sie ihn zu ihrem Sklaven machte, braucht wohl nicht gesagt zu werden, wohl aber, daß sie in seiner Gegenwart mir eine stolze Zurücksetzung erwies.
Heftig stellte ich sie deshalb zur Rede, ein Kuß veschloß mir den Mund. »Dies für die Beleidigung, die ich meinem treusten Freunde wider meinen Willen zufügen mußte. Kann ich auch den bäurischstolzen Mann für mich gewinnen»wenn er weiß, wie ich Ihnen gesinnt bin?«
Wie zauberisch hatte meine Phantasie den Wundermoment ihres ersten Kußes ausgemalt! – »Feodora!« sagte ich. »kein Vorteil und keine Rücksicht in der Welt kann mich bewegen, einen Augenblick die Achtung, die ich einem teuren Gegenstand schuldig bin, zu verleugnen.«
Alles ging indes noch erträglich, bis Rastignac mich besuchte.
»Aber zum Teufel, was treibst du?« rief er. – »Man spricht davon, du ständest dich besser als je mit Feodora, und weil ihr die romantische Poesie mißfällt, hättest du dich zur Klassizität entschlossen.«
»In Wahrheit. Rastignac. dein Eintritt erschreckte mich. Du kommst stets, aus einem glücklichen Traum mich zu wecken. Vor deinem glatten Lächeln fliehen die Engel und Seraphe auf ihren bunten, lichten Wolken, aus denen dem Einsamen Melodien des Trostes ertönen.«
»Steht es so mit dir?« fragte er mit einer trübseligen
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