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Lebensbilder I (German Edition)

Lebensbilder I (German Edition)

Titel: Lebensbilder I (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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sei es auch abgeschmackt oder absurd, mit einem Wort: ich hänge an Welt, Wirklichkeit und Leben.« – »Und bis wohin denkst du, mit diesen Ansichten zu kommen?« – »Durchs Leben unstreitig, und weil sie vielleicht nicht geradezu selig machen und in den Himmel fördern, bin ich nebenbei auch guter Katholik.«

Neuntes Blatt
    Das Geschäft mit dem pseudonymen Herrn war nach Wunsch zustande gekommen; ich eilte, mit dem Vorschusse meine Garderobe zu vervollständigen, und mit dem, was ich noch zu erwarten hatte, vermochte ich an Eleganz mit allen Stutzern, die Feodora je umschwärmt, es aufzunehmen. Wie sehnlich wünschte ich eine Gelegenheit herbei, mich ihr zu zeigen! Da lief eines Morgens ein Schreiben von ihr ein: sie wünschte, mich diesen Vormittag noch und so bald als möglich zu sprechen. Der Kommissionär wartete auf Antwort. Ich hieß ihn gehen, bevor die Antwort auf diesem Wege eintreffen konnte, wollte ich selbst schon vor ihr stehen. Hastig warf ich mich in meine neuen, eleganten Kleider, begab mich auf den Weg, nahm das erste beste Kabriolett, und der Kutscher empfing den doppelten Lohn, um möglichst schnell mich zum Ziele meiner Neugier und Unruhe zu fördern. –
    Ich ward sogleich vorgeführt. Sie saß im modernen Boudoir, von bunter Frühlingspracht umgeben, bei der Toilette und ließ sich frisieren. Das heißt: ihre Kammerfrau fuhr unaufhörlich mit einem großen weißen Kamm durch ihr blondes Haar. Soll ich sagen, daß sich die alten Märchen meiner Kindheit mir verwirklichten, daß ich wähnte, Perlen, Edelsteine und Diamanten aus ihren Haaren fallen zu sehen, oder daß sie der Frühling mich dünkte, weil ihr reizendes Leben mitten im strengen Dezember solch prangenden Flor um sich erzeugte? So abgenutzt diese Sprache ist, Liebe gebraucht sie dennoch immer wieder. Es begibt sich mit uns Liebenden derselbe Prozeß, und wir treten mit den Frühlingsmächten, welche die Erde verjüngen, Bäume, Felder und Wiesen neu bekleiden und alles zur heiteren, entzückenden Daseinsfreude aufmuntern, in enge Verwandtschaft. Liebe ist die Geburt, der Frühling der Empfindung, und alle jene Märchen- und Zauberphantasien von Elfen, Feen, Genien, Göttern sind ihre ersten Kinderspiele, die sie erlebt, denn emsig, ernsthaft spielen Kinder! Ach, daß dieses Gefühlsdasein vom Leben am wildesten angefeindet wird – bald muß es sich in seinen eignen Gluten verzehren, und daraus kommen jene unseligen Heroen, jene halb ausgebrannten Gefühlskrater, die nur in Sünden wieder aufleben. Oder das eisige Klima dieser Welt erstickt solche Keime in der Geburt, und das werden die trefflichen Kaufleute, Bankiers, Staatsmänner und Handwerker, die bei ihren Verwandten, Freunden und Nachbarn als Mustermenschen gelten, aber ich möchte das Geheimnis kennen, das Herz zu erziehen, diätisch es zu pflegen und unbeschädigt, unverletzt in ein gesundes Alter hinzuleiten! Nur einzelnen Auserwählten unter ganzen Generationen wird dies zuteil, es sind die Dichter!
    »Es ist genug, Maria!« sprach Feodora zur Kammerfrau und legte das Buch hin, worin sie bis jetzt gelesen. Maria drehte ihr Haar in den gewöhnlichen Knoten zusammen, befestigte es mit der großen goldenen Nadel und ging. – Erst nachdem alles in Ordnung war, wandte sie sich zu mir. – »Ach, Herr Marquis, was wollte ich doch eigentlich, und warum ließ ich Sie rufen?«
    Ich schwieg.
    »Ist es nicht seltsam, ich hatte Ihnen etwas Wichtiges zu sagen, und nun ist's mir ganz und gar entfallen: – aber was ist Ihnen? Sie reden ja kein Wort!«
    »Ich bin gekommen, Ihre Befehle zu vernehmen.«
    »Warten Sie, vielleicht fällt es mir wieder bei.«
    Es entstand eine lange Pause, die ich mich zu unterbrechen hütete. Schweigen paßt zu allem: zur Empfindung, zur Welt, zur Achtung, die man behaupten und andern erweisen will. Wir selbst fühlen uns im Schweigen wohl, verletzen schweigend andere nicht, setzen uns dem Betruge nicht aus und gestatten schuldlosem Vertrauen, uns zu erraten. Ich lernte bei Feodora heut alle Wohltaten des Schweigens.
    Endlich schien es sie zu verdrießen, daß ich mir gar keine Mühe gab, sie zu unterhalten.
    »Ich kann mich durchaus nicht drauf besinnen«, begann sie, unwillig ihren Stuhl zurückschiebend.
    Auch ich erhob mich, empfahl mich und ging. – Bevor ich jedoch das Ende der breiten, duftenden Treppe erreicht, ward ich zurückgerufen.
    »Da fällt mir ein, was ich von Ihnen wollte!« – redete sie mich an. – »Ich besuche diesen Abend das

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