Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lebensbilder I (German Edition)

Lebensbilder I (German Edition)

Titel: Lebensbilder I (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
Vom Netzwerk:
den marmorstarren Maler, erkundigte sich bei seinen Untergebenen nach dem Namen desselben, faßte ihn noch einmal scharf ins Auge, rief einen Abbate herbei und flüsterte ihm einige Worte ins Ohr, worauf dieser sogleich verschwand.
    Zambinella indessen erholte sich, begann nochmals die Arie, sang schlecht, aber brachte sie zu Ende. Unwirsch warf er die Noten weg und war durch die inständigsten Bitten aller Anwesenden nicht zu bewegen, etwas anderes zu singen. Es war zum erstenmal, daß er sich öffentlich so grillenhaft und launisch zeigte. Später ward er dadurch nicht minder berühmt als durch seine Stimme.
    Immer noch stand der Maler wie versteint, als jemand ihn beim Ärmel zupfte und höflich bat, in ein anstoßendes Kabinett zu gehen, wo ein Bekannter seiner warte. – Zambinella war's.
    ›Mein bester Signor,‹ sprach er, ›Vergebung! Ich habe groß Unrecht wider Sie auf mein Gewissen geladen und kann mich deshalb nicht zufrieden geben. Es ist wahrhaftig nicht meine Schuld, meine Kameraden haben mich dazu angestiftet. Zum Glück sind Sie kein Italiener, sonst wäre ich, alles Abbittens ungeachtet, meines Lebens nicht sicher.‹
    ›Wozu angestiftet?‹
    ›Man sah. wofür Sie mich hielten, und um einen Spaß mit Ihnen zu treiben, mußte ich mich verkleiden.‹
    ›Du bist also –?‹
    ›Ein unglückliches, verachtetes Geschöpf, dessen gutmütige Nachgiebigkeit auf einen Scherz einging, der am meisten ihn selbst verhöhnt! – Gehen Sie!‹
    Unwirsch, wie ein verzogenes Kind, wandte er ihm den Rücken, und langsam verließ der Maler das Hotel. Drei Männer in dunklen Mänteln folgten ihm, und kaum hatte er einige hundert Schritte zurückgelegt, als sie mit Dolchen über ihn herfielen und ihn niederstachen.
    ›Der Kardinal Cicogna läßt grüßen!‹ rief einer der Mörder, bevor er entfloh.
    ›Ich danke ihm!‹ ächzte der Sterbende, ›er hat mir wohl getan! Vergeben sei ihm die Sünde, ein solch verkehrtes Nichts aus der Welt zu schaffen: fast wie ein Christ hat er an mir gehandelt!‹
    Nach diesen Worten gab er seinen Geist auf – und die Geschichte ist aus.«
    »Und was hat diese garstige Geschichte mit dem gestrigen Spuk gemein?« fragte meine schöne Zuhörerin.
    »Das ist die Zambinella. Madame, und meine Geschichte ist wahr! Zambinella war so eitel, das Bild der Psyche aus dem Nachlasse des Malers an sich zu kaufen, und weil auch ihm die Unreifhelt und Seelenlosigkelt darin auffiel, ließ er es als Adonis umändern. Sie sehen, Madame, daß es wirklich Männer von solcher Schönheit gibt, diese leben noch heut, aber ich bin auf sie nicht eifersüchlig. – Vermöge Ihres Scharfsinns werden Sie einsehen, daß Zambinella Marianinas Onkel ist, woher die Lantys so große Stücke auf ihn halten, woher sich ihr Reichtum schreibt und woher sie seine Quelle aller Welt verbergen, denn in der Tat, wenn es bekannt würde, daß –«
    »Oh stille, stille!« rief die Schöne außer sich. »Sie machen mich an meinem Dasein irre. Alle Liebe, Zuneigung, Leidenschaft wird mir widerwärtig, das ganze Leben erscheint mir als ekelhafter Spuk.«
    »Wirklich, Madame, wirklich?«
    Hier hielt ich mit dem Lesen inne, die gefährliche Stelle war vorüber, an der ich zu scheitern fürchten mußte. Noch herrschte Teilnahme und Spannung, der Moment der Rache war da. Meine Blicke suchten Feodora; all mein Zorn, mein Ingrimm sammelten sich in meiner Brust, ich stieß ein fürchterliches Gelächter aus und fuhr mit Donnerstimme fort:
    »Nun, bei Gott. Madame! dahin wollte ich Sie bringen, und ich bedurfte solch eines schnöden Mittels, wie diese Erzählung, gegen Ihre rasende Selbstsucht! Obschon ein Weib, gleichen Sie nicht jenem Zambinella? Treiben Sie nicht dasselbe Spiel mit allen Männern, wie jener mit dem verlehrten Maler? Und nicht aus Scherz: aus Selbstsucht, Habgier, niederer Eitelkeit! O Madame, es gibt auch eine moralische Geschlechtslosigkeit: Weiber, die ihr zur Liebe, Güte, Milde, Wohltätigkeit geschaffenes Herz durch Bosheit, Geiz und Selbstsucht entweiben; die nichts sind und sein wollen als parfümiertes, geglättetes, aufgeputztes Fleisch, um Grünlinge zu ködern: Männer widern sie an. Der Orden dieses neuen Lasters nennt sich Koketten! Fluch ihnen, wo sie auch immer sich zeigen mögen: in Theatern, In Kaffeehäusern, in Salons! Fluch der niederen Genußsucht, die des Lebens Höchstes in ihnen sieht! Fluch der Zeit, in Sünden so gesättigt, daß Weiber jetzt mit Keuschheit buhlen, daß Männer gern

Weitere Kostenlose Bücher