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Lebensbilder I (German Edition)

Lebensbilder I (German Edition)

Titel: Lebensbilder I (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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diese Gespräche unter dem Namen M. Cohen, in Nr. 3 des »Vetter Michel« gab sich aber Schiff als Verfasser zu erkennen. Es sind Klagen des Kolporteurs über die Lesebedürfnisse des Publikums, wobei Schiff diesen Stellung gegen das »junge Deutschland« nehmen läßt, das das Interesse für Romane vernichtet und proklamiert habe, jedes belletristische Werk müsse »Gesinnungen« enthalten. Die Ereignisse des Jahres 1851 werden ziemlich witzig glossiert, gegen Österreich sehr heftig Stellung genommen. Vögelche ist sehr gebildet, kennt Jean Paul und Goethe genau und wundert sich, daß Goethe in einer Zeit, wo alles verboten sei, nicht verboten werde, obwohl er gefährliche, anarchistische Grundsätze predige. Und sie staunt auch darüber, daß man die Schriften kleiner Literaten konfisziere, während die Goethes unbeanstandet bleiben. Sehr sonderbar findet sie es, daß man Kossuth in Österreich einen Galgen und in England eine Ehrenpforte baue, und ihr Vater erwidert: »Gönne Österreich den Galgen und England die Ehrenpforte« [Fußnote: Dieser »Schabbesschmuh« erschien 1866 in Buchform bei Richter. ] .
    Eines langen Bestandes hatte sich der »Vetter Michel« nicht zu erfreuen. Im Oktober 1851 wurde er behördlich verboten und Schiff verhaftet. In Nr.11 des »Vetter Michel« vom 21. Oktober befand sich nämlich unter der Überschrift »Unerhört, wenns wahr ist« ein Artikel, in dem ein Konflikt zwischen einem preußischen und einem in Rendsburg stationierten österreichischen Offizier erzählt und einzelne Bemerkungen daran geknüpft waren, die keine günstige Meinung von k. k. Offizieren erregen konnten. Infolgedessen wurde Schiff am 26. verhaftet [Fußnote: Über diese Verhaftung vgl. Varnhagens Tagebücher VIII, 397. ] und gleichzeitig die fernere Ausgabe des Blattes verboten. Bei der Hausdurchsuchung wurde (nach dem Bericht der »Reform« Nr. 87) nichts gefunden, zumal Schiff damals mit der »romantischen Volksbibliothek« beschäftigt war, deren Herausgabe er für Richter besorgen sollte.
    Das Verbot machte (Bericht der »Reform« Nr. 88) großes Aufsehen, und man petitionierte (aber erfolglos) von allen Seiten um Wiedergestattung des Blattes. Als Verfasser des betreffenden Artikels im »Vetter Michel« meldete sich ein Advokat, Dr. H. Evers, in Hamburg (»Reform«, 88). Dennoch wurde Schiff erst am 25. November gegen eine Kaution von 1500 Mark, die Richter erlegte, aus der Haft entlassen, das Blatt aber blieb weiterhin verboten. Auf Schiff war die Hamburger Behörde nun nicht mehr gut zu sprechen, obwohl er nichts weiter getan hatte, als daß er den Aufsatz des Doktors Evers in sein Blatt aufnahm. Dennoch suchte man sich seiner zu entledigen, und am 23. Dezember 1851 wurde er aus Hamburg ausgewiesen. Natürlich war nur seine österreichfeindliche und radikaldemokratische Schriftstellerei Anlaß dieser unberechtigten Maßregel, die jedoch, da man in einer Republik gegen demokratische Anschauungen, die übrigens beinahe von der ganzen Hamburger Bevölkerung geteilt wurden, nicht öffentlich Stellung nehmen wollte, damit motiviert wurde, daß Schiff durch seine – Verheiratung mit einer Ausländerin sein Hamburger Bürgerrecht und damit den Aufenthalt in Hamburg verwirkt habe.
    In der an Heine gerichteten Vorrede zu den »Luftschlössern« äußerte sich Schiff in sehr amüsanter Weise über diese Ausweisung. Er spricht darin zunächst Heine seinen Dank für die Anerkennung des »Schief-Levinche« aus und fährt dann fort:
    »Ich will dir aufrichtig sagen, wer ich bin. Laut Dekret des Senats vom zwölften Januar achtzehnhunderteinundfünfzig [Fußnote: Ein Gedächtnisfehler Schiffs. Die Ausweisung war am 23. Dezember 1851 erfolgt. ] bin ich als geborner Hamburger aus Hamburg ausgewiesen.
    Du wirst sagen, Ausweisungen aus Republiken sind klassisch. Themistokles, Miltiades, Cimon, Aristides usw. wurden aus Athen verwiesen, weil sie der Freiheit der Völker gefährlich schienen. Ich kann dir aber wirklich versichern, daß ich mich schämen würde, auf irgendeine Weise der Hamburger Freiheit gefährlich zu sein. Auch hat meine Ausweisung wenig Klassisches. Es wurde mir nicht einmal gestattet, Rekurs zu nehmen. Alle mir zustehenden Rechtsmittel wurden mir abgeschnitten mit dem Befehle: ›sofort Hamburg zu verlassen‹ und der Rekurs, den ich vom Auslande durch einen hiesigen Advokaten einreichen ließ, ward ignoriert.
    Es gibt nuch mittelalterliche Ausweisungen, namentlich von Gelehrten, und auch dazu ist die

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