Lebensbilder I (German Edition)
Senat. Er ist ungemein lehrreich, weil er zeigt, mit welchen Nichtigkeiten sich deutsche Behörden monatelang beschäftigten, und wie ungerecht man gegebenenfalls vorging, um sich von einem unbequemen Menschen zu befreien. Schiffs Frau hatte schon 1843 und 1844 vergeblich versucht, für ihren Sohn einen Hamburger Heimatsscheln zu erwerben. 1847 wurde auf ein neuerliches Ansuchen dekretiert, daß das Kind auf einen solchen keinen Anspruch habe, da Schiff als Vater wegen der Heirat sein Heimatsrecht verwirkt habe. 1854 erfloß indes eine günstigere und gerechtere Entscheidung in dieser kleinlichen Angelegenheit. Das königlich sächsische Ministerium des Äußeren schrieb damals an den Hamburger Senat:
»Luise Amalia Auguste geborene Leuthold hält sich gegenwärtig (11. November 1853) in Leipzig auf, und erscheint auch ihr Aufenthalt unbedenklich, so ist es doch nur unter der gewissen Voraussetzung der Fall, daß über die Staatsangehörigkeit derselben kein Zweifel obwalte, vielmehr solche gehörig festgestellt sei.
Da der Ehemann dieser Frau geborener Hamburger und sie von demselben nicht getrennt ist, so würde jene Staatsangehörigkeit sich hiernach einfach regeln, wäre nicht erinnerlich, daß, als im Jahre 1847 unter dem 29. Juli das unterzeichnete Ministerium in dem Falle war, den hochverehrlichen Senat der ... Stadt Hamburg zu benachrichtigen, daß die hiesige königliche Regierung genötigt war, nächst anderen sogenannten Literaten auch den Doktor Schiff von Leipzig auszuweisen. Dagegen äußerte sich Hamburg am 20. Dezember desselben Jahres, weil sich Schiff 1841 zu Schkeuditz verheiratet habe, er dadurch sein Hamburgisches Heimatsrecht gesetzlich verloren und gehöre dem Hamburgischen Staatsverbande nicht mehr an. Die hiesige Regierung hatte an diesem Umstande damals kein Interesse. Jetzt aber wird es erforderlich, darüber Gewißheit zu erlangen.
Das unterzeichnete Ministerium vermag den Grund nicht einzusehen, weshalb Doktor Schiff lediglich wegen seiner Verheiratung mit einer Ausländerin seiner angeborenen Heimatsrechte verlustig gegangen sei. Wenn aber Schiff am 2. Mai 1848 (also lange nach seiner Verheiratung) ein Paß als Hamburger ohne allen Vorbehalt ausgestellt wurde, gleiches auch seiner Ehefrau gewährt wurde, so wäre zu schließen, daß die Wiedereinsetzung in seine früheren Rechte stattgefunden habe. Wäre dies der Fall, so gehört die Frau zum Manne und ist also auch Hamburgerin.
Königlich sächsisches Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten, das mit Vergnügen zugleich auch diesen Anlaß benützt zu der erneuerten Versicherung seiner ausgezeichnetsten Hochachtung.«
Der Senat erwiderte am 5. Dezember, wie schon im Jahre 1847, »daß Schiff durch seine ohne Konsens der hiesigen Behörden erfolgte Verheiratung im Auslande seine hiesige Staatsangehörigkeit verloren und deshalb auch seine Frau kein Recht auf Hamburgische Staatsbürgerschaft habe. Schiff ist so wenig in seine Staatsbürgerrechte wieder eingesetzt worden, daß er im Juli 1852 polizeilich aus Hamburg ausgewiesen wurde [Fußnote: Zum zweiten Male; die erste Anweisung war, wie ein vorhandener Senatsakt erweist, schon im Dezember 1851 erfolgt. ] . Seitdem ist von Schiff nichts wieder gehört worden, und deshalb kann der Senat über seinen Untertanenverband nichts angeben.«
Antwort des sächsischen Ministeriums vom 1. Februar 1854, daß es sich mit dieser Äußerung um so weniger abfinden könne, als dies mit dem zu Gotha abgeschlossenen Vertrage vom 15. Juli 1851 nicht vereinbar erscheine. Selbst wenn der Verlust der Hamburgischen Staatsbürgerschaft für Doktor Schiff unbestreitbar feststände, so müsse er nach § 1, lit. b, des Vertrages jetzt wieder rezipiert werden! Da die Gültigkeit der Ehe Schiffs unbestritten sei, gehöre seine Frau nach Hamburg. Nochmals verweist das Ministerium (das anscheinend nicht unvernünftig war) darauf, daß Schiff einen Paß bekommen habe, ebenso wie seine Frau.
Am 3. Februar 1854 fragte der Senat bei der Polizei an, ob sie den beiden wirklich Pässe ausgestellt habe. Daraufhin wurde aus dem Akt vom 29. Oktober 1849 von der Polizeibehörde an den Senat berichtet: «Die Erteilung des Passes war ›offenbar‹ nur dadurch möglich, daß Schiff den Verlust seiner Heimatszugehörigkeit verschwiegen hatte, und auch der Zeuge, der mit dabei war, vielleicht in Unkenntnis der staatsrechtlichen Folgen dieser Heirat, davon auf der Polizei nichts gesprochen hatte. Eine rechtliche Wirkung hat
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