Lebensbilder I (German Edition)
sich neben zwei alten eine neue Erzählung Schiffs »Der Fibelphilosoph« findet.
Sie enthält eine heftige Anklage gegen das Züchtigungssystem, wie es damals in den niederen Volksschulen geübt wurde, wo die Lehrer unschuldige Kinder blutig schlugen und sich auf andere Weise weder Ruhe noch Respekt zu verschaffen wußten. In dieser Novelle findet sich wieder das von Schiff so oft dargestellte Spielermilieu: Der reiche Bauer, der all sein Geld vertut, und der Sohn, der dem Vater vorlügt, er habe in der Lotterie gespielt und dabei Geld gewonnen, während er in Wahrheit nur von dem Gelde sparte, das er für seinen Lebensunterhalt bekam. (Dasselbe Motiv wie in »Glück und Geld«.)
In einer »Norddeutschen Volksbibliothek«, die Schiff 1858 im Altonaer Verlagsbureau ins Leben treten lassen konnte, befindet sich im ersten Bande eine Neubearbeitung seines »Gevatter Tod« unter dem Titel »Regina oder das Haus Totenstein«, im zweiten als Fortsetzung eines schon 1849 begonnenen Unternehmens »Die englische Revolution im Jahre 1687«. Der dritte bis fünfte Band enthält eine Übersetzung eines angeblich von Paul de Kock herrührenden Romans »Die Verschwörung in Paris«. Der sechste und siebente Band endlich «Clarinette oder die fahrenden Sänger. Ein Seitenstück zur ›Cerisette‹ des Paul de Kock.« Es sind durchwegs bedeutungslose Bücher, die von dem Verleger veröffentlicht wurden, weil sich das Leserinteresse Schiff nach seiner Aufnahme in das Armenhaus im stärksten Maße zuwandte. Von Band drei an scheint die Sammlung von Schiff nur herausgegeben worden zu sein, wenn man geneigt ist, diese Annahme, die auf Kaysers Bücherlexikon zurückgeht, überhaupt gelten zu lassen. Daß Schiff an den Bänden drei bis sieben irgendwelchen literarischen Anteil gehabt hätte, möchte ich keinesfalls annehmen, so sehr dafür einige Umstände sprechen. Zunächst der, daß eine »Verschwörung in Paris« von Paul de Kock nicht existiert, die der Übersetzer »nach dem Manuskript« bearbeitet haben will. Daß Kock dem Altonaer Verlagsbureau sein Manuskript übersandt hätte, ist kaum glaublich; es läge also ein Analogiefall zu den Balzac-Verfälschungen vor, indem der Übersetzer hier ein eigenes Werk als Übersetzung eines Paul de Kockschen ausgegeben hätte. Dann aber könnte auf Schiff als Autor namentlich eine Stelle im zweiten Teile des Romans (Seite 123) schließen lassen, weil dort nämlich über Paul de Kocks literarische Manier gesprochen wird, wie Schiff in den Balzacnovellen Balzac über sich selbst Urteile abgeben ließ. Und wenn endlich Paul de Kock ein »französischer Clauren« genannt wird, so erinnert man sich der oft betonten Abneigung Schiffs gegen Claurens Schriftstellerei. Aber all dem steht der brutal unterstrichene erotische Inhalt des Romans entgegen, der zu Schiffs sonstiger Schreibweise gar nicht passen will. So indezent und unverhüllt »pikant« – oft widerlich sexualorgiastisch – war seine Schriftstellerei niemals. Wenn das Werk also wirklich von Schiff wäre – er ist weder als Autor, noch Übersetzer, noch Herausgeber darauf genannt – dann hätte er sich damit zum Soldschreiber letzten Ranges degradiert. Und das möchte ich von Schiff, der seine Überzeugungen niemals so wesentlich verleugnete, nicht annehmen.
Endlich aber kommt als ausschlaggebender Umstand hinzu, daß Schiff in einer seinem Romane »Die Aristokraten« (1860) angefügten »Warnung« gegen das Altonaer Verlagskontor, in dem diese Paul de Kock-Bearbeitungen erschienen waren, heftig Stellung nahm. Er beschuldigte es, daß es unberechtigt »Neueste Novellen vom Verfasser des ›Schief-Levinche‹ ankündige«, worunter nur »Die Verschwörung in Paris« und »Cerisette« gemeint sein können. Dieses Altoner Verlagskontor habe seine Mysterien (eine sichtliche Anspielung auf die »Verschwörung in Paris«), indem es Paul de Kocks Namen in unlauterer Weise benutze. Eine solche Warnung konnte wohl nur jemand erlassen, der, wie es Schiff auch behauptete, mit dieser »Verschwörung in Paris« nie etwas zu tun gehabt hatte.
Auch die Zeitungen brachten jetzt eine Reihe seiner Dichtungen, namentlich die »Reform«, die 1858 (Nr. 76–84) seine jüdische Novelle »Die wilde Rabbizin« – sie wird in anderem Zusammenhang besprochen – und in demselben Jahre (Nr. 118–139) sein größtes Werk aus dieser Zeit »Die Aristokraten« publizierte. (In Buchform 1860 erschienen, eine zweite Auflage unter dem Titel »Damenphilosophie«
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