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Lebensbilder II (German Edition)

Lebensbilder II (German Edition)

Titel: Lebensbilder II (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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für seine Existenz gesorgt werden solle, denn der Wert seiner Güter in Korsika reichte nicht hin, daß er in Paris mit Anstand davon leben konnte.
    Voll Freude und hoffnungsreich kehrte Bartholomeo zu seiner Familie zurück. Die Flüchtlinge erhielten am selben Abend noch eine Stätte, Brot und den Schutz des ersten Konsuls.

2.
    Der erste, der in Paris ein Maler-Atelier für Damen eröffnete, war ein gewisser Herr Servin, ein Künstler von Ruf, der streng auf Sitte hielt, ganz seiner Kunst lebte und aus Zuneigung die Tochter eines Generals ohne Vermögen geheiratet hatte. – Es lag in seinem Plane, nur Schülerinnen aus den reichsten und geachtetesten Häusern anzunehmen, um jeder möglichen Nachrede auszuweichen. Sogar den Malerinnen von Profession, oder denen, die sich dazu bildeten, weigerte er den Zutritt. Diese Sorgfalt, wie auch die ganze Lebensweise des Künstlers, erwarben ihm ein unbedingtes Zutrauen, und wenn anfänglich die Mütter selbst ihre Töchter nach dem Atelier begleiteten, bald hielten sie sich der Wachsamkeit überhoben, in der festen Ueberzeugung, ihre Kinder dort in gesitteter und wohlerzogener Gesellschaft zu wissen. –
    Bald hatte Servins Atelier ebensoviel Ruf wie Leroys Moden oder Chevets Pasteten usw. Wollte eine junge, vornehme Dame zeichnen oder malen lernen, so hieß es: gehen Sie zu Herrn Servin, und nahm eine Unterricht bei ihm, so wußte man, daß sie über alle Bilder des Museums ein Urteil hatte, daß sie ein Porträt zeichnen, ein Ölbild kopieren und ein Genrestück anfertigen konnte. – Servin genügte allen Kunstbedürfnissen der guten Gesellschaft, obschon er selbst ganz der freie Künstler blieb. Das Atelier nahm den ganzen Giebel eines Hauses ein. Eine innere Treppe führte zu dem Künstlerinnen-Harem, welcher den Eintretenden, der, nachdem er so viel Stufen erstiegen, vielleicht aufs Dach zu gelangen erwartete, mit seiner Größe überraschte. Hohe Fenster erhellten überflüssig den ganzen Raum, und mittels grüner Vorhänge konnten die Malerinnen beliebig jedes Licht sich schaffen. Auf die dunkelgrau angestrichenen Mauern waren Karikaturen, Köpfe, Gestalten aller Art mit der Messerspitze schraffiert, zum Beweis, daß vornehme, junge Damen ebensoviel Unnützes im Kopfe hegen als Männer irgend. Die langen Röhren eines kleinen Ofens in der Mitte beschrieben ein fürchterliches Zickzack, bevor sie den höchsten Winkel des Daches erreichten. Eine Wand, die ringsum lief, stützte die schönsten Gips-Modelle, aufgestellt in wilder Verworrenheit; einige weiß, andere halb gereinigt, die meisten mit einem gelblichen Staub überzogen; darüber offenbarte hin und wieder das Haupt der Niobe, an einem Nagel hängend, seinen steinernen Schmerz, oder eine Venus lächelte holdselig; oder gar ein Arm streckte frech sich aus und breitete die Hand zum unverschämten Betteln hin; anatomische Glieder schienen wie aus Gräbern gestohlen; Gemälde, Zeichnungen, Mannekins, Rahmen ohne Leinewand, Leinewand ohne Rahmen vollendeten den bunten Anblick, das prächtige Elend, den zerlumpten Reichtum, das prangende Chaos, die Mischung roher Stoffe, die des Künstlers zu harren scheinen, der etwas aus ihnen bilde. – So sieht's in einer Werkstatt aus, in manchem Künstlerkopf nicht besser.
    Hell schien die Julisonne, und zwei mutwillige Strahlen, durch zwei unverhängte Fenster dringend, durchflimmten die ganze Tiefe der Galerie mit durchsichtigem Gold und blitzenden Staubkörnchen. Die Staffeleien erhoben ihre spitzen Häupter wie Schiffe im Hafen. Die Malerinnen saßen davor, mit jugenlichen Gesichtern, heiterem Anstand und doch ganz verschieden die eine von der andern, und verschiedener noch eine jede durch ihren Putz. – Die starken Schatten der grünen Vorhänge bildeten seltsame Lichteffekte, wundersame Massen von Helldunkel. Das Atelier selbst war würdig, Bild eines Ateliers zu sein.
    Wenn auch Rang und Glücksgüter nicht in eine Künstlerwerkstatt gehören, dennoch verrieten zwei Gruppen hier zweierlei Gesellschaft.
    Sitzend oder stehend, von ihren Farbenkästchen umgeben, die Pinsel rührend oder die zierliche Palette bereitend oder malend, lachend, schwatzend, singend, kurz, dem natürlichen Behagen überlassen, offenbarte die eine Gruppe ein Schauspiel, das Männern unbekannt bleibt, gelingt es ihnen nicht, es zu belauschen. Es war die Klasse der Reichen, aber Unadligen, Bankiers-, Notaren- und Beamten-Töchter; die andere Klasse, stiller und einförmiger, war die der Adligen.

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