Lebensbilder II (German Edition)
dich flüchtig? – Vor einem halben Jahre warst du der Reichste, Angesehenste –«
»Ich habe alle Portas umgebracht,« versetzte der Korse. Der erste Konsul trat oder flog zwei Schritte zurück.
»Verrat mich nur!« rief Bartholomeo mit wilden, leuchtenden Augen. »Es leben noch vier Piombos in Korsika.«
Lucian faßte Bartholomeo beim Arm und fragte: »Willst du meinem Bruder hier drohen?«
Bonaparte verwies ihn zum Schweigen und fragte Piombo: »Warum hast du die Portas umgebracht?«
Die Augen des Korsen leuchteten wie Blitze. »Wir hatten uns vertragen,« sprach er, »die Piombos und Portas. Die Barbatonis hatten uns versöhnt. Wir tranken mitsammen, um unsern Haß im Wein zu ersäufen. Hierauf ging ich, weil ich in Bastia ein Geschäft hatte. Die Portas bleiben bei mir, stecken mein Haus in Brand, brachten meinen Sohn Gregorio um, und wenn mein Weib und meine Tochter entkamen, so geschah's, weil sie morgens zur Kommunion waren und die heilige Jungfrau sie schützte. – Ich kehre heim – finde kein Haus – in Schutt und Asche suche ich mein Obdach.«
Von Erinnerungen überwältigt, hielt er inne.
»Da« – fuhr er fort – »da stoß ich auf einen Leichnam. Es war mein Gregorio, ich erkannte ihn im Mondschein. Das sind die Portas gewesen! rief ich und ging zur Stelle in die Gebirge!
Dort sammle ich Leute um mich, denen ich Dienste geleistet – verstehst du Bonaparte, denen ich Dienste geleistet, und wir zogen nach den Weingärten der Portas. Um neun Uhr morgens waren wir dort, um zehn standen sie alle vor Gott. – – Giacomo behauptet, Elisa Banni habe den kleinen Luigi Porta gerettet. Es ist nicht wahr! Ich selbst habe ihn ans Bett gebunden und das Haus gleich darauf in Brand gesteckt.«
Mit neugierigen Blicken, jedoch ohne Erstaunen, maß Bonaparte den Erzähler.
»Wie viele waren's ihrer?« fragte Lucian.
»Sieben in allem!« versetzte Piombo. – »Zuzeiten waren's eure Verfolger,« fügte er nachdrücklich hinzu. Wie er aber sah, daß diese Worte nicht den mindesten Zorn in beiden Brüdern erregten, rief er wie in Verzweiflung:
»Was? seid Ihr Korsen? – Es gab eine Zeit, wo ich euch schützte. Ohne mich«, sprach er keck auf Bonaparte deutend, »wäre deine Mutter lebend nicht nach Marseille gekommen.«
Bonaparte stand gedankenvoll, den Arm auf den Rand des Kamins gestützt.
»Ich kann dich nicht schützen.« sprach er endlich. »Ich bin Haupt der Republik und muß die Gesetze halten.«
»O Gott! o Gott,« rief Bartholomeo.
»Allein ein Auge kann ich zudrücken, diese Blutrache«, sprach er, »stoß ich um, es koste, was es wolle.«
Er schwieg, und Lucian winkte dem Piombo, der schon wieder unwillig den Kopf zu schütteln anfing, jetzt ruhig zu sein.
»Bleib hier!« nahm Bonaparte endlich das Wort, »so will ich um das Geschehene mich nicht kümmern. Ich will dein Eigentum verkaufen lassen und später auch für dich sorgen. Vergiß aber nicht, wo du bist; du bist hier in Paris, wo keine Blutrache gilt. Wag' es nur, mit dem Dolche zu spielen, und du bist ohne Gnade verloren. Hier schützt das Gesetz alle Bürger, und keiner darf sein Recht sich selber nehmen.«
»Wohlan!« sprach Bartholomeo. »es heiße jetzt mit uns, auf Leben und Tod. Verfüge über alle Piombos.« – Seine Stirn erheiterte sich nach diesen Worten, und ruhig sah er sich im Zimmer um. »Ihr habt's gut hier,« sprach er wohlgefällig, »ein schönes Haus.«
»Es hängt von dir ab,« versetzte Bonaparte (er dutzte ihn als seinen Landsmann) »eben solchen Palast zu bewohnen. – Bei allem habe ich mitunter einen Freund nötig, dem ich gänzlich trauen kann.«
Da brach ein Freudenschrei aus Piombos gepreßter Brust. »Ja! Du bist doch ein Korse,« rief er und reichte seine Hand dem ersten Konsul hin.
Bonaparte lächelte, betrachtete schweigend seinen Landsmann, der ihm die Luft seines Vaterlandes wiederbrachte, der Insel, die ihn bei seiner Rückkehr aus Ägypten so enthusiastisch empfangen, der Insel, die er im Leben nicht wiedersehen sollte, dann gab er seinem Bruder ein Zeichen, und dieser führte Bartholomeo di Piombo hinaus.
Draußen fragte Lucian nach den Umständen seines ehemaligen Beschützers; dieser deutete mit einer zärtlich-wehmütigen Gebärde auf ein Fenster und zeigte Weib und Kind, müde auf den Trümmern sitzend. – »Wir kommen heut zu Fuß von Fontaineblau und haben keinen Heller.«
Lucian händigte ihm seine Börse ein, beschied ihn auf den andern Tag zu sich und versprach ihm, daß
Weitere Kostenlose Bücher