Lebensbilder II (German Edition)
Freund?«
»Nur seines Unglücks halber. Mein Schwiegervater rettete ihn glücklich aus den Händen derer, die Labedoyère gefangen nahmen, der Rasende wollte seinen Verteidiger spielen.«
»Nennen Sie das rasend?« fragte Ginevra stolz und bitter.
Der Maler schwieg eine Weile, dann fuhr er fort: »Man beobachtet meinen Schwiegervater zu scharf, bei sich konnte er ihn nicht verborgen halten, vorige Woche nachts führte er ihn zu mir, und in diesem Winkel glaubte ich ihn am sichersten im ganzen Hause aufgehoben.«
»Ich kann Ihnen nützlich sein,« versetzte Ginevra leise, »bauen Sie auf mich.«
»Wir reden nachdem mehr davon,« erwiderte der Maler und ging, damit ihr Gespräch nicht noch auffallender werde, als es schon zu sein schien.
Für heute blieb er im Atelier. Die Stunde, die die Sitzung endete, hatte längst geschlagen. Die Schülerinnen gingen eine nach der andern.
»Fräulein Monsaurin! Ihren Strickbeutel!« rief Servin der letzten zu. – Die Monsaurin schien betroffen, war aber doch nicht willens, ihre Neugier und Rachepläne aufzugeben. Mit vielem Geräusch ging sie die Treppe hinunter, um leise wieder hinaufzuschleichen und durchs Schlüsselloch zu gucken.
Sobald der Maler und Ginevra sich allein glaubten, pochte ersterer auf gewisse Weise an den Verschluß, und die inneren Riegel schoben sich im Roste kreischend zurück, die Klappen schlugen auseinander, und ein hoher, schlanker Jüngling bückte sich, um durch die enge Öffnung herauszusteigen: er trug die kaiserliche Uniform und den rechten Arm in der Binde. Als er außer dem Maler noch die Anwesenheit einer unbekannten dritten Person gewahrte, stieß er einen Schrei aus und wollte sich wieder verbergen.
Der Schrei hatte die glückliche Folge, daß die Lauscherin am Schlüsselloch den Mut verlor. Sie hatte den Jüngling bereits gesehen, jetzt seine Stimme gehört; die Adler waren ihr zum Glücke wieder nicht zu Gesichte gekommen, und sie entfernte sich, mit ihrer Ausbeute zufrieden.
»Mein Herr!« sprach der Maler, »dies ist die Tochter des Barons von Piombo, des treuesten Anhängers Bonapartes. Fürchten Sie nichts, denn sie hat sich erboten, Ihnen nützlich zu sein.«
Der junge Krieger blickte die hohe Jungfrau an und schien vollkommen Vertrauen zu ihr zu fassen.
»Sie sind verwundet?« fragte Ginevra.
»Leicht nur, mein Fräulein!«
»Unglücklicher! Wie kommen Sie in diese Lage?«
«Mein Fräulein! der Kaiser war mein Vater, – Labedoyère mein Freund; jener ist gefangen, dieser wird morgen erschossen. Jetzt bin ich eine Waise, allein, vielleicht schon entdeckt und morgen verurteilt; es gilt mir gleich. Meine letzte Barschaft habe ich zu Labedoyères Freiheit vergeblich geopfert, ich habe nichts mehr, ich weiß nicht, weshalb ich mich verberge, mir ist der Tod erwünscht, ich will sterben und sinne nur darauf, wie ich mein Leben am vorteilhaftesten verkaufe. Zwei für dies eine wäre schon ein annehmbarer Spottpreis. Wo nicht gar ein Dolchstoß, wert der Unsterblichkeit.«
Der wilde und plötzliche Anfall von Verzweiflung erschreckte den Maler. Doch Ginevra blieb gefaßt und sprach tröstend, wie edle Weiber in solcher Lage am besten vermögen, wo ihre Erscheinung etwas Himmlisches hat:
»Erlauben Sie mlr, mein Herr, für Sie zu sorgen. Mein Vater ist reich. Ich bin das einzige Kind. – Hier habe ich 800 Franken – mein Eigentum! – Ohne Umstände nehmen Sie an. – Was wir haben, danken wir dem Kaiser, seinen braven Kriegern beizustehen, ist unsere heilige Pflicht, ich biete Ihnen diese Kleinigkeit – es ist nur Gold – Sie sollen auch Freunde finden.«
Ihre Augen leuchteten von Stolz und Würde, da sie also sprach. Der Fremde stand verlegen vor ihr, und da er sich ermannte, rief er: »Ich bin nicht wert, daß mich solch ein Engel rettet, retten Sie Labedoyère, wenn Sie es vermögen.«
»Könnt ich's,« rief Ginevra, «ich tät's bei Gott.« Und dem Fremden dünkte es in diesem Augenblick, als umfloß ein Heiligenschein ihr dem Himmel zugewendetes Haupt.
»Ich möchte ihn rächen und sterben!« sprach er leise mit korsischem Akzent.
Ginevra stutzte bei den vaterländischen Lauten und betrachtete ihn aufmerksam.
Er sank ihr zu Füßen und rief, sich selbst vergessend: »O Dio! che non vorrei vivere dopo averta veduta! (O Gott! wer möchte nicht leben und diese sehen!)«
»Mein Herr!« versetzte Ginevra zornig in italienischer Sprache, »ich bin in Korsika geboren. Ich vergebe Ihnen dies, Ihrer Lage halber, aber
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