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Lebensbilder II (German Edition)

Lebensbilder II (German Edition)

Titel: Lebensbilder II (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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Ihr Wesen war voll Würde, ihr Benehmen gemessen, man erriet leicht, daß sie der Welt angehörbar, wo der Anstand die Charaktere modelt, wo es zu scheinen gilt und nicht zu sein , wo man für Geselligkeit und nicht für Einsamkeit erzogen wird, wo Äußerlichkeiten das innere Leben ersticken.
    Es war Mittag und Herr Servin noch nicht angelangt. Man wußte, daß er in einem andern Atelier an einem Bilde für die Ausstellung arbeitete und erwartete ihn nicht mehr. – Da erhob sich Fräulein Monsaurin , eine junge Marquise, die vornehmste der adligen Klasse, sagte etwas leise zu ihrer Nachbarin, diese teilte es einer anderen mit, und plötzlich herrschte tiefe Stille unter dem Adel.
    Darüber wunderte sich die demokratische Partei und schwieg ebenfalls, bis das Geheimnis endlich an den Tag kam.
    Die Monsaurin erhob sich, nahm eine Staffelei, die ihr zur Rechten stand, und stellte sie weit weg von der adligen Gruppe, nahe bei einem Verschlag, der das Atelier von einer Dachkammer trennte. Die Mittelmauer bildete hier in einem sehr tiefen Winkel ein finsteres, unregelmäßiges Gemach, wohin zerbrochene Gipsbilder oder Gemälde, die Herr Servin mißbilligte, geworfen wurden; wo man im Sommer den Ofen ließ und im Winter Holz bewahrte.
    Die Tat der Monsaurin erregte allgemeinen Unwillen, allein die vornehme Dame kümmerte sich nicht darum, wälzte den Kasten mit Malereigerät ebenfalls der Staffelei nach und trug zuletzt den Bock und ein Gemälde von Rubens hin, mit dessen Kopie die also verbannte Abwesende beschäftigt war. – Kleine Umstände entscheiden oft über ein ganzes Menschenleben, die gegenwärtige Tat der Monsaurin veranlaßte die ganze traurige Geschichte, wie sie hier wahrhaft berichtet werden soll.
    Die linke Seite unterließ nicht, ihren Unwillen über diese Tat auszusprechen.
    »Was die Piombo wohl sagen wird?« begann Fanny Planta.
    Eine andere von derselben Seite sprach: »Sie ist eine Korsin und wird nichts sagen, aber nach fünfzig Jahren gedenkt sie der Beleidigung wie heut. – Ich möchte nichts mit ihr zu tun haben.«
    »Es ist unrecht!« sprach eine dritte. »Ginevra ist seit kurzem sehr betrübt, ihr Vater ist um seinen Abschied eingekommen, des Unglücks sollte man schonen. – War sie nicht stets zuvorkommend gegen alle diese Fräuleins? Hat sie jemals irgendwen auch mit einem Worte nur beleidigt? Sie hat jedes politische Gespräch vermieden, nur um keinem Ärgernis zu geben.«
    »Sie soll bei mir sitzen,« rief Fanny Planta und erhob sich – doch plötzlich blieb sie gedankenvoll stehen. – »Mit der Piombo«, fuhr sie fort, »ist nicht zu spaßen. Wer weiß, wie sie meine Artigkeit aufnimmt.«
    »Sie kommt,« sprach eine schmachtende junge Dame mit dunklen Augen. – Wirklich schwebte etwas die Treppe hinauf. »Sie kommt, sie kommt!« ertönte es von Mund zu Mund, und die tiefste Stille trat wiederum ein.
    Es muß zur Erklärung des Ostrazismus der Monsaurin gesagt werden, daß dieser Auftritt im Juli des Jahres 1815 stattfand, wo die zweite Rückkehr der Bourbonen manches enge Band, das der ersten Restauration widerstanden, gelöst hatte. Ginevra, die Tochter des Baron Piombo, verehrte Napoleon bis zur Anbetung und hielt ihren Kummer über seine Gefangenschaft keineswegs geheim. Die anderen adligen Schülerinnen gehörten dagegen der streng royalistischen Partei an und waren schon längst entschlossen, sich von der Bonapartianerin zu entfernen, doch hatte es noch keine gewagt, ihre Gesinnung zu verraten, bis heut, wo die Monsaurin den ersten entscheidenden Schritt tat.
    Ein süßes Schweigen feierte also den Eintritt der hohen Jungfrau, die unbefangen sich nahte und, durch ihre Gefährten schreitend, mit Anstand grüßend fragte: »Weshalb sind Sie so stille heute, meine Damen?«
    Ohne die Antwort abzuwarten, ging sie auf ein kleines Mädchen mit blonden Haaren zu, welches fern von allen anderen saß, denn es war die Ärmste, aber auch die Bescheidenste und Fleißigste. Sie prüfte ihre Arbeit und sprach: »Du machst Fortschritte, liebe Laura, deine Inkarnation ist noch etwas zu rosig, aber der Kopf ist gut gezeichnet.«
    Dankbar blickte Laura auf sie, und die Italienerin ging weiter, blickte nachlässig auf die Zeichnungen und Bilder der übrigen Malerinnen, grüßte eine jede und schien der Neugier, mit der man sie betrachtete, so wenig zu achten wie eine Königin, von ihrem Hofstaat umgeben.
    Sie setzte sich endlich vor ihre Staffelei, bereitete ihre Pinsel, öffnete die

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