Lebensbilder II (German Edition)
spielte und von einer Gruppe zur anderen eilte, um sie wieder, nachdem er wenige Worte gewechselt, zu verlassen.
»Ich kenne sie nicht!« war die Antwort.
»Es ist deine Geliebte, du alter Epikureer!« lachte der Obrist.
»Wahrhaftig nicht! Meine Frau ladet lauter Leute ein, die kein Mensch kennt.« Nach diesen Worten entfernte er sich wieder, mit dem Argwohn des Obristen sehr zufrieden.
Auch der Staatssekretär Martial mischte sich unter die Gäste, um Erkundigungen einzuziehen, da trat der Obrist wieder zu ihm und flüsterte ihm zu: »Martial! die Veaudremont ist aufmerksam auf Sie geworden und verfolgt Sie mit Blicken einer stummen Verzweiflung.«
»Eine alte Kriegslist! Ich bin wie der Kaiser, was ich erobert habe, weiß ich zu behalten!«
»Wie, Ungeheuer? Sie, der erklärte Liebling der Beaudremont, den sie sogar heiraten will!«
»Eine schöne, zweiundzwanzigjährige Witwe mit 80 000 Franken Revenuen, die Ihre Gunstbezeigungen mit solchen Diamanten bezahlt (er deutete bei diesen Worten auf Martials linke Hand, an welcher ein kostbarer Diamant blitzte), und Sie wollen sich Dinge erlauben wie unsereiner, der stets Gefahr läuft, mit der Garnison die Geliebte zu verlassen – oh, schämen Sie sich!«
»Ich weiß meine Freiheit zu schätzen.«
»Hören Sie, Martial, wenn Sie meine schöne Unbekannte umschwärmen, so erobere ich mir die Veaudremont.«
»Das steht Ihnen frei, Sie schmucker Kürassierobrist, allein, ich zweifle an dem Erfolg.«
»Mit eben dem Rechte darf ich an dem Erfolg zweifeln, den Sie bei der schönen Unbekannten erringen werden.«
»Wetten wir, daß sie eher mit mir als mit Ihnen tanzt?«
»Hundert Napoleon?«
»Ich setze meinen Schweißfuchs dagegen.«
»Topp!«
Der Kürassierobrist war ein Mann von etwa fünfunddreißig Jahren, von hohem Wuchse, wie die Kürassiere der kaiserlichen Garde fast sämtlich. Er trug, nach der damaligen Mode, Beinkleider von weißem Kaschmir und konnte in seiner Uniform, bei seinem militärischen Anstande allerdings einer Dame gefallen, die nicht eben den demütigen Sklaven in ihrem Anbeter sehen wollte.
Der Baron Martial de la Roche-Hugon war dagegen viel jünger. Napoleon überhäufte ihn mit besonderen Zeichen seiner Gnade. Er besaß in einem hohen Grade alle Talente eines Höflings; seine dichten, dunklen Locken beschatteten ein zartes Gesicht voll Anmut und Geist.
In diesem Augenblick erneute sich die Tanzmusik, und die beiden Freunde schieden mit einem Händedruck voneinander, der ihre Wette bestätigte.
Bevor indessen der Tanz begann, nahm eine andere Erscheinung die Aufmerksamkeit aller Anwesenden in Anspruch. Herr von Soulanges und die Komtesse von Veaudremont wurden angemeldet, und die Damen erhoben sich zum Teil ein wenig von ihren Sitzen, die Herren eilten aus den Nebenzimmern herbei und drängten sich nach dem Eingang des Hauptsaales.
Die Gräfin Veaudremont hieß die schönste Frau in Paris. Sie gab der Modewelt Gesetze und empfing als Königin eines jeden Festes die Huldigungen aller Anwesenden. Aber es war auch eine der wenigen Schönen, die alles, was ihre äußere Gestalt verspricht, durch innere Eigenschaften rechtfertigte; der einzige Vorwurf, den man ihr machen konnte, war der, daß sie ihre Gaben alle ins höchste Licht zu stellen liebte. Sie pflegte nie eher zu erscheinen, als bis das Fest im vollen Gange war und der reizende Strudel, der die schöne Welt mit sich fortriß, bereits auf die Zierlichkeit der Toiletten und die Frische der Gestalten einigen Einfluß geäußert. Sie verschwand auch, ehe noch eine Blume ihres Putzes welk die Blätter neigte, oder eine Locke aus dem künstlichen Bau ihres Haares sich gelöst hatte. Flüchtig wie ein glänzender Traum, begnügte sie sich damit zu erscheinen, und verschwand, nachdem sie gesehen worden war. Ihr zur Seite ging der Graf Soulanges, einer der ausgezeichnetsten Offiziere bei der Armee, ein Dreißiger, bleich und schlank, aber kräftig. Still und bescheiden im Äußeren, flößte er, wie es schien, ebensoviel Teilnahme ein wie die Dame, die er führte; vielleicht (wie in diesem Augenblick ein witziger Kopf bemerkte) weil Damen ebensogern einen getreuen und beständigen Anbeter sehen wie Männer eine schöne und liebenswerte Frau.
Dies merkwürdige Paar schien indessen mit dem allgemeinen Aufsehen, welches es erregte, unzufrieden und beschloß, nicht länger vereint zum Gegenstand der Neugier zu dienen.
Als der Sekretär Martini die Gräfin eintreten sah, mischte er
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