Lebensbilder II (German Edition)
Prätorianern Napoleons zu zeigen; und wenn das glänzende festliche Leben und Treiben noch nicht seinen Gipfel erreicht hatte, so war es, weil man noch Bonaparte selbst erwartete, der seine Gegenwart dem Wirte hatte hoffen lassen. Er hätte auch Wort gehalten, allein am selben Abend ereignete sich ein Auftritt zwischen ihm und Josephine, der an der baldigen Scheidung nicht länger zweifeln ließ. Diese Neuigkeit indessen blieb vorderhand geheim und hatte nicht den mindesten Einfluß auf die Freude am Feste.
Die Freude indes ward nicht so glänzend empfunden, als sie erschien. Die heiteren, lächelnden Gesichter offenbarten gewisse Züge von Neid, Mißgunst, Kälte und Unzufriedenheit; die Freundschaftsbezeigungen waren minder herzlich als berechnet, und man hatte mehr Ursache, vor seinen Freunden als vor seinen Feinden auf der Hut zu sein.
»Blicken Sie gefälligst einmal nach jener durchbrochenen Säule, die den Kandelaber stützt, dort, im Winkel links, – wer ist die junge Dame, frisiert à la chinoise , mit blauen Glockenblumen in dem kastanienbraunen Haar? Sehen Sie nicht? Sie ist bleich, unglücklich, wie es scheint, – jetzt wendet sie uns ganz ihr Antlitz zu, die schönen Augen scheinen nur zum Weinen geschaffen.«
»Sie ist mir auch schon aufgefallen. Sie hätten nur nach der weißesten aller Damen mich fragen sollen, niemals habe ich einen herrlicheren Teint gesehen. Können Sie die Perlen zwischen den Saphieren auf ihrem Halse erkennen? Von hier erscheint der Schmuck wie Türkise auf Schnee.«
»Wer mag sie sein?« fragte der erste wieder.
»Ich weiß es nicht! und wenn ich's wüßte, was geht es Sie an, Sie glücklicher Nebenbuhler des unglücklichen Soulanges? Jeder Pas, den Sie machen, kostet der Beaudremont einen Seufzer. – Ich bitte Sie, lieber Staatssekretär, gönnen Sie andern auch etwas, leben und leben lassen!«
»Weil Sie der reizenden Unbekannten so ganz Ihre Aufmerksamkeit weihen, lieber Obrist, so sagen Sie mir wenigstens, ob Sie sie tanzen gesehen haben.«
»Mein lieber Martial! Was fällt Ihnen ein? Sehen Sie nicht drei Reihen der allerunternehmendsten Pariserinnen zwischen meiner Schönen und den eleganten Tänzern? Bedurfte es nicht der ganzen Macht Ihrer Lorgnette, um die Schöne in ihrem Winkel auszuspüren, wo sie gleichsam, trotz der tausend Kerzen über ihrem reizenden Haupte, in der Dunkelheit begraben ist? Wie viele funkelnde Diamanten und strahlende Blicke sind zwischen ihr und uns! Wie viele wallende Federn, wie viele Spitzen, Blumen und duftende Besätze! Ein wahres Wunder wäre es, wenn ein Tänzer sie mitten unter diesen Sternbildern erobern könnte. – Wie, Martial, wäre es etwa die Frau eines Unterpräfekten, die ihren Mann gern befördert haben möchte?«
»Kann sein!« versetzte der Staatssekretär in der Hoffnung, daß er ihr beim Einreichen der Bittschrift würde nützlich sein können.
»Ich zweifle,« lächelte der Obrist. »sie weiß so wenig von der Intrige wie Sie von der Diplomacia. Ich wette! Sie sagen mir nicht, wie sie hierher kommt.«
Der Staatssekretär sah den Krieger halb verächtlich, halb neugierig an; dieser fuhr fort:
»Sicher kam sie punkt neun Uhr hierher, war also die erste, – die Gräfin Gondreville war natürlich sehr verlegen mit ihr, denn das Unterhalten ist ihre Sache nicht, und ließ sie sitzen. – So von der Hausfrau zurückgesetzt und von Stuhl zu Stuhl zurückgedrängt, wie irgendeine neue Dame ankam, gelangte sie zuletzt in diesen Winkel. Ein Opfer ihrer Bescheidenheit und der Eifersucht jener Tänzerinnen, die nichts lieber wünschen, als eine reizende, gefährliche Nebenbuhlerin auf solche Weise unschädlich zu machen. – Ja, ja! lieber Staatssekretär, diese zarten, zierlichen Geschöpfe, alle sind wider unsere schöne Unbekannte verschworen, wie wäre es, wenn wir diesen dreifachen Wall durchbrächen und die arme Andromeda befreiten?«
»Ob sie wohl verheiratet ist?«
»Oder Witwe?«
»Sie ist vielleicht die Tochter irgendeines kleinen deutschen Fürsten.«
»Vielleicht auch nur die Gesellschafterin irgendeiner Anwesenden.«
»Eine Gesellschafterin mit einem Halsschmuck, den eine Königin tragen kann? Nein, es ist eine deutsche Prinzessin, und weil sie nicht französisch kann, unterhält sich niemand mit ihr.«
Der Obrist hielt jetzt einen kleinen, dicken Mann mit geistvollen Augen und grauem Haare auf, um Nachrichten über die Unbekannte einzuziehen. Es war der Graf Gondreville, der den geschäftigen Wirt
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