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Lebenschancen

Lebenschancen

Titel: Lebenschancen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steffen Mau
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gezahlt, arbeitet man nach Abschluss der Pflegephase dann wieder voll, erhält man weiterhin 75 Prozent, und zwar für die Dauer der vorherigen Reduzierung. Genaugenommen handelt es sich um ein Modell, bei dem Arbeitszeit (aus Sicht der Arbeitgeber kostenneutral) verschoben wird. Allerdings haben die Arbeitnehmer gegenüber den Firmen nach wie vor keinen Rechtsanspruch auf Pflegezeit.
    Der Chancenkredit würde es vielen erlauben, befristete Auszeiten zu finanzieren und somit Arbeit und Familie besser unter einen Hut zu bringen. Es sollte aber klar sein, dass dem Staat die Hauptrolle bei der Finanzierung der häuslichen Pflege und der Bereitstellung eines breiten Angebots an ganztägiger Kinderbetreuung zukommt. Die Mittel des Kredits sind als Ergänzung gedacht, nicht als Ersatz, können aber wirksam werden, wo heute noch große Lücken klaffen. Das Hauptanliegen ist eine bessere Abstimmung und flexiblere Gestaltung der gemeinsamen Verantwortung der Politik und der Familien.
    Über erweiterte zeitliche Spielräume hinaus wäre es auch möglich, im Sinne eines Zeitkontos Betreuungszeiten einzukaufen, sich also bei Aufgaben im familiären Bereich begrenzt und befristet »vertreten« zu lassen. Ein krankes Kind, ein neuer, anstrengender Job oder eine Trennung können bestehende Arrangements ins Wanken bringen und ein Mehr an Unterstützung notwendig machen. Es geht hier nicht um die Finanzierung ganz normaler Babysitterjobs für den abendlichen Kinobesuch, eher schon um belastbare Betreuungsnetze, wenn die familiäre oder nachbarschaftliche Hilfe nicht mehr ausreicht. Ein bestimmtes Stundenkontingent für die Unterstützung im Haushalt oder bei der Kinderbetreuung wäre insbesondere für diejenigen, die sich dies bislang nicht leisten können, sehr attraktiv. Anderer
seits könnte man dadurch viele der jetzt schon geleisteten häuslichen Tätigkeiten in den Bereichen Pflege oder Kinderbetreuung aus der Illegalität herausholen und sowohl den Status wie auch das Einkommen der entsprechenden Beschäftigtengruppe nachhaltig verbessern.
    Der Umgang mit Risiken
    Ich habe oben bereits darauf hingewiesen: Die Entstandardisierung von Erwerbsmustern hat dazu geführt, dass die am Normalarbeitsverhältnis ausgerichteten Sozialversicherungen oft keinen wirksamen Schutz mehr bieten. Das Sozialstaatshaus hat unübersehbare Risse bekommen, an vielen Stellen ist es zu Wassereinbrüchen gekommen. Besonders betroffen sind davon die atypisch und diskontinuierlich Beschäftigten sowie (Solo-)Selbstständige. Auch in diesem Bereich könnte der Lebenschancenkredit helfen, wobei es mir ausdrücklich nicht darum geht, existierende Programme zu ersetzen oder ihre Anpassung an gesellschaftliche Veränderungen (den demografischen Wandel – Stichwort: Pflege – oder neue Familienmodelle) zu verzögern. Doch wir dürfen unsere Augen vor der Tatsache nicht verschließen, dass in einer flexibleren Arbeitswelt und einer bunteren sozialen Landschaft Angebote von der Stange nur noch für ein schrumpfendes Bevölkerungssegment passen. Sie sind zu klein, zu groß oder sitzen einfach schlecht. So fallen viele durchs Raster, andere sind schlichtweg überversorgt. Angesichts der zunehmenden Unübersichtlichkeit ist es wenig überraschend, dass die Politik zu permanentem Nachjustieren, zu einer Anpassung in Raten gezwungen ist, die der Entwicklung notgedrungen immer weiter hinterherhinkt.
    Die Versorgungslücken, die sich beispielsweise schon heute bei der Alterssicherung auftun, haben viel mit atypischen Berufsbiografien zu tun. Das trifft vor allem Frauen, aber auch
immer mehr Männer, die nicht durchgängig voll erwerbstätig waren. Ein Lebenschancenguthaben könnte hier helfen. Man könnte Mittel aus dem Kredit in Übergangsphasen oder prekären Zeiten nutzen, um weiterhin in Altersvorsorge zu investieren, oder das Geld (einschließlich der Zinsen) aufsparen und erst in Anspruch nehmen, wenn man das Rentenalter erreicht hat. Der Lebenschancenkredit wäre in diesem Sinne so etwas wie ein von der Seite gereichter Atemschlauch, um den Patienten Sozialstaat etwas munterer zu machen.
    Ähnliches wäre auch in Bezug auf die Krankenversicherung denkbar: Eigentlich soll zwar niemand aus ihrem Schutz herausfallen, dennoch macht eine wachsende Zahl von Menschen mittlerweile diese leidvolle Erfahrung. Auch hier geht es vor allem um Übergänge zwischen abhängiger Erwerbsarbeit, Phasen der Arbeitslosigkeit und der Selbstständigkeit, zumal wenn dabei größere

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