Lebenschancen
Prozent), und dass wir es uns nicht leisten können, allen Menschen die glei
chen Rechte zu garantieren (33 Prozent). Die Abwertung anderer, insbesondere schwächerer Gruppen, so meint Heitmeyer, dient der eigenen Aufwertung, der Aufrechterhaltung des eigenen Selbstwertgefühls. So darf es auch nicht verwundern, dass Distinktionskämpfe vor allem nach unten stattfinden. Ressentiments und die Abwertung anderer Gruppen finden wir demnach nicht nur im rechten Milieu, sondern auch in der Mitte der Gesellschaft, hier sind sie allerdings besser versteckt. Da sind das Partygespräch über die »Sozialschmarotzer«, der Ekel vor dem Verkäufer einer Obdachlosenzeitung, das kalte Unverständnis über Strauchelnde und Zurückbleibende, das öffentlich geäußerte Gefühl der Überfremdung. Und weil die Haltung der Mittelschicht das politische Klima einer Gesellschaft entscheidend prägt, ist die Angst der Mitte mehr als ein Oberflächen- oder Randphänomen. Wissenschaftler des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung ( DIW ) ziehen eine Verbindung von der Verunsicherung über die Diskriminierung bestimmter Gruppen bis hin zur Stabilität des politischen Systems:
»Gerade bei den mittleren Schichten, deren Status sich auf Einkommen und nicht auf Besitz gründet, besteht eine große Sensibilität gegenüber Entwicklungen, die diesen Status bedrohen. Das kann durchaus mit der Tendenz einhergehen, eine andere Bevölkerungsgruppe für diesen Status-Verlust verantwortlich zu machen und so zur Ausbreitung von diskriminierenden Einstellungen (wie Ausländerfeindlichkeit und Fremdenhass) beitragen. Die Einkommenspolarisierung kann also nicht als irrelevante Verschiebung der Einkommensverteilung abgetan werden, vielmehr ist die Sicherung der Mitte als eine wichtige Voraussetzung für die Stabilität demokratischer Entscheidungsprozesse anzusehen.« (Goebel et al. 2010: 8)
Das große Unbehagen, welches in westlichen Gesellschaften heute viele Menschen gegenüber Zuwanderung empfinden, hat mit kulturellen Irritationen und Formen des ethnischen Wettbewerbs zu tun, auf die verunsicherte Bevölkerungsschichten
besonders heftig reagieren. Verunsicherung führt zu einem Verlust an Toleranz, sozialer Großzügigkeit und Liberalität, sie befördert Fatalismus und den neidischen Blick auf andere, macht anfällig für rückwärtsgewandte Gemeinschaftsideologien. Auch in unseren eigenen Untersuchungen (Mewes/Mau 2012) zum Zusammenhang von sozioökonomischen Deprivationsängsten und Ressentiments gegenüber Ausländern konnten wir zeigen, dass Unsicherheit mit der Abwertung und Ausgrenzung von als anders wahrgenommenen Gruppen einhergeht. Viele rechtspopulistische Parteien in Europa setzen auf genau diese Karte, indem sie sich die Ängste vor den negativen Auswirkungen der Globalisierung zu eigen machen und die Grenzen der Solidarität mithilfe ethnischer Kategorien der Zugehörigkeit und des »Wir-Gefühls« bestimmen. Sie nehmen für sich in Anspruch, die Interessen der »kleinen Leute« zu vertreten, etwa durch eine Beschränkung der Zuwanderung, Protektionismus und die Abwehr von kultureller »Andersartigkeit«. Eine wichtige Strategie besteht darin, Angstgefühle zu instrumentalisieren und eine »Wahlallianz der Verlierer aus der absteigenden Mittelklasse mit den Verlierern aus der unqualifizierten Arbeiterklasse zu bilden« (Kriesi/Grande 2004: 415).
Weitere Einsichten in die Erregungswelten der verunsicherten Mittelschicht bietet eine von der Süddeutschen Zeitung (8./9. Januar 2011) veröffentlichte Studie der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) über die Leserschaft von Sarrazins Deutschland schafft sich ab . Journalistisch kondensiert titelte die Zeitung: »Sarrazins Leser: männlich, erfolgreich, ängstlich«. Käufer und Leser von Sarrazins Buch sind demnach vor allem die Besserverdiener und Aufsteiger, bei den Älteren die »klassische« Mittelschicht. Sie scheinen besonders empfänglich für ethnisch aufgeladene Bedrohungsszenarien. Viel häufiger als der Durchschnitt der Bevölkerung sagen sie, dass in ihrem Leben der berufliche Erfolg an erster Stelle steht. Gleichzeitig neigen sie zu einem konventionell-konservativen Lebensstil, bei dem ein har
monisches Privatleben, häusliches Glück und Sauberkeit hoch im Kurs stehen. Auch die Aussage »In meiner Lebensführung mag ich keine Veränderungen, ich halte mich lieber an meine alten Gewohnheiten«, findet viel Zustimmung. Obwohl die Gruppe einen relativ sicheren
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