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Lebenslänglich Klassenfahrt: Mehr vom Lehrerkind (German Edition)

Lebenslänglich Klassenfahrt: Mehr vom Lehrerkind (German Edition)

Titel: Lebenslänglich Klassenfahrt: Mehr vom Lehrerkind (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastian Bielendorfer
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ihm gut, dieses fast schon traurige Bedürfnis zur Selbstgeißelung. Wenn uns in ein paar Jahren die Wahl zwischen Zivi und Wehrdienst blieb, sah ich Rene schon vor meinem geistigen Auge begeistert einen Köpper in den Dreck machen.
    »Mach zehn Liegestütze«, forderte Hanna wenig einfallsreich. Rene ging sofort geschmeidig vom Schneidersitz in die Waagerechte über und ließ seinen Oberkörper so tief heruntersinken, dass seine Nase den Boden berührte. Hanna hatte ihm einen idealen Anlass zur Selbstdarstellung gegeben. Um noch mal so richtig schön auf die Kacke zu hauen, machte Rene sogar gleich zwanzig Liegestütze, die letzten nur auf einem Arm. Ich wäre schon mit zwanzig Strecksprüngen überfordert, dachte ich.
    Nur unmerklich außer Atem, richtete sich Rene wieder auf und glitt zurück in den Schneidersitz.
    Beim nächsten Durchgang hielt die Flasche bei Mona Bauerfeind. Ihr breiter Mund verzog sich zu einer schiefen Linie, die wie eine Schlucht von einer Wange zur anderen verlief. »Pflicht«, sagte sie halbherzig und strich sich mit der Hand unsicher über den Unterarm. Mona war weder besonders schön noch besonders hässlich, weder besonders dumm noch intelligent, sie war einfach in jeder Hinsicht durchschnittlich, jedenfalls glaubten wir Jungs dies über sie zu wissen. Neben Hanna Sommer verkam ihre Normalität allerdings zu einer tragischen Minderwertigkeit, Monas Beisein ließ Hanna noch schöner und Mona selbst noch durchschnittlicher wirken.
    »Küss den Bielendorfer«, ätzte Rene Maurer bösartig und zeigte dabei auf mich, als hätte ich bis eben noch keinen Namen gehabt.
    »Nein«, sagten Mona und ich fast gleichzeitig. Vor Hanna Sommer ihre beste Freundin zu küssen, das war unmöglich, dachte ich und suchte leicht verzweifelt Kemals Blick, als wäre er der Herrscher über das Regelwerk.
    »Pflicht ist Pflicht, Mona«, murrte der nur kurz und grinste mich etwas mitleidig an. Jetzt fiel mir wieder ein, was ich an diesem beknackten Spiel immer blöd gefunden hatte.
    Widerwillig beugte sich Mona zu mir rüber und drückte mir mit spitzen Lippen einen trockenen Kuss auf. In dem Moment, als unsere Lippen sich berührten, erröteten wir beide ein wenig, die ganze Hülle von absurder Abgeklärtheit, die man sich selbst in diesem Alter gerne andichtete, fiel einen kurzen Augenblick zusammen. Ich sah, dass sie dabei die Augen zudrückte, als wollte sie Orangen auspressen, also tat ich es ihr gleich und dachte ganz, ganz kräftig an Hanna Sommer.
    Rene Maurer grölte wie auf der Südtribüne, Hanna lachte wieder mit verzerrter Stimme, und die Fennermann-Zwillinge schüttelten den Kopf, ein Bewegungsmuster, dass ihnen eindeutig vertraut war.
    Erst als wir uns voneinander entfernten, machte Mona die Augen wieder auf. Dann wischte sie sich übertrieben dramatisch den Mund an ihrem Ärmel ab, als wäre ich ein überdimensionaler Herpeserreger.
    Hanna lachte noch immer, und Mona warf ihr einen scharfen Blick zu, sie hatte wohl etwas mehr Unterstützung von ihrer besten Freundin erwartet.
    »Meinssu ihr heiratet baldma?«, fragte Kemal und lachte, worauf alle anderen, selbst die doofen Fennermann-Zwillinge, mit einstimmten. Mona ächzte genervt auf und setzte wieder die Flasche in Gang.
    Hanna. Wieder Hanna, die diese Wahl des Schicksals allerdings mit einem kurzen Augenrollen akzeptierte und erneut gackerte, als wäre ihre Stimme chemisch gereinigt worden.
    »Wahrheit«, wählte sie erneut, Kemal spitzte schon die Lippen zur nächsten intimen Frage.
    »Hast du ein Geheimnis, das keiner kennt?«, fragte Mona ganz plötzlich und fuhr sich am Ende des Satzes mit der Zunge über die Lippen.
    Auf einmal erblasste Hanna Sommer wie ein altes Foto, aus ihren Gesichtszügen wich das Lächeln, und ihr Gackern erstarb in einer eigenartigen Stille. Sie schaute Mona mit aufgerissenen Augen an, diese wandte ihren Blick aber nicht ab, sondern fixierte Hanna weiterhin. Die Raumtemperatur schien innerhalb von Augenblicken in den Minusbereich gefallen zu sein, Kemal neben mir nestelte an seiner sehr figurbetonenden Schlafanzughose herum, während Hanna weiterhin wie versteinert ihre beste Freundin ansah. Einen Moment lang schien die Zeit in einzelne Bilder zu zerfallen, ein unangenehmes Brennen kletterte vom Bauch in unsere Köpfe, ich atmete einmal tief ein.
    »Ich hab keinen Bock mehr auf das Spiel«, sagte Hanna und schob die Flasche angeekelt von sich weg, die Kerze flackerte kurz in der Bewegung auf und zeichnete einen

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