Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lebenslänglich Klassenfahrt: Mehr vom Lehrerkind (German Edition)

Lebenslänglich Klassenfahrt: Mehr vom Lehrerkind (German Edition)

Titel: Lebenslänglich Klassenfahrt: Mehr vom Lehrerkind (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastian Bielendorfer
Vom Netzwerk:
Rene hatte lange überlegt und dann etwas völlig Hanebüchenes vorgeschlagen: »Klau dem Schmitz den Skianzug.«
    Diese Worte tauchten jetzt wieder vor mir auf. Dort, wo in normalem Geisteszustand sofortige Ablehnung einer solchen Wahnsinnstat klar gewesen wäre, hatte am Vorabend eine ungesunde Mischung aus Trunkenheit und jugendlichem Übermut die Führung übernommen. Die Anfeuerungsrufe der anderen hallten noch in meinen Ohren nach. Selbst Hanna war wieder aus ihrer Schreckstarre erwacht und lachte laut auf, als ich mir die Skibrille überzog und mich in Schmitz’ Anzug zwängte. Die Kamera hatte ich während meiner Aktion natürlich nicht bemerkt, wer hätte auch erwartet, dass der etwas hüftsteif wirkende Giuseppe einen Überwachungsapparat von orwellschen Ausmaßen aufgebaut hatte. Wenigstens hatte das Ding keinen Ton, mir schwante nämlich, dass ich bei meinem Langlauf im Hausflur wenig Schmeichelhaftes über Herrn Schmitz von mir gegeben haben könnte.
    Wie auf mein Kommando drehte Giuseppe an einem kleinen Regler an der Unterseite des Fernsehers, und plötzlich erschallte auch noch der Soundtrack meines nächtlichen Vollrausches:
    »Schaut mal alle her, ich bin der alte Schmitz, der Rosettenschnurrbart aus dem Spaßverbot … ich bin der Darth Vader von Jochgrimm … der Oberarschlochweltrekordhalter …«, beleidigte ich Schmitz für meinen Vollrausch sogar überraschend kreativ. Dann ging ich auf den Skiern in die Knie und ließ mehrmals deutlich und für alle hörbar einen fahren, meine Zuschauer, die von der Kamera zum Glück nicht eingefangen wurden, grölten vor Begeisterung. Wahrscheinlich hatte ich gerade ein Loch in Herrn Schmitz’ Skianzug gefurzt.
    Schmitz schluckte einmal, und sein Adamsapfel glitt wie eine Henkersklinge auf und ab, ich hatte für immer und ewig verschissen.
    »Aber woher hatte ich die weiße Farbe?«, fragte ich fassungslos und sogleich komplett entsetzt darüber, dass dies der erste Gedanke war, den ich zum Tatbestand formulierte.
    »Das war Zaziki aus der Küche«, sagte Schmitz und packte mich wieder an der Schulter.

Nach Hause telefonieren
    Herr Schmitz umklammerte den Hörer, als wollte er eine Schlange erwürgen. Ich stand vor der Glasscheibe von Giuseppes Bürotür und konnte Schmitz mehrmals auf- und abgehen sehen, selbst der kreisrunde Glatzenansatz an seinem Hinterkopf hatte sich vor Wut rot gefärbt. Giuseppe stand neben mir und sollte wohl dafür sorgen, dass ich nicht flüchtete, aber wo sollte ich in meinem Schlafanzug und ohne Schuhe auch hin?
    »Ja, Zaziki, richtig …«, konnte ich Schmitz durch die Einfachverglasung spucken hören, er hatte sofort nach Aufnahme meiner Aussage die Herausgabe der Telefonnummer meiner Eltern gefordert, und auch auf mein Bitten und Flehen hin, dass man das doch bestimmt intern regeln könne, war er nicht zu erweichen gewesen. Auch wenn mein Vater und Herr Schmitz sich gegenseitig nicht grün waren (das Gefälle zwischen Deutsch- und Sportlehrer war innerhalb des Kollegiums naturgemäß einfach zu groß), war ich mir recht sicher, dass sie über diesen Tiefpunkt meines Daseins Konsens herstellen konnten.
    Schmitz schwieg jetzt und nickte eifrig, mein Vater musste wohl jedes Detail der Geschichte noch mal wiederholen, deshalb hörte man nur Fetzen wie »Ja, ja, betrunken, völlig betrunken« oder »Diebstahl, bösartiger Diebstahl«, was sich wohl auf Herrn Schmitz’ High-End-Skidress bezog, das ich wieder ordentlich, aber zugefurzt in seinen Spind gehängt hatte.
    Wahrscheinlich berieten sie sich gerade über eine angemessene Strafe, von Restjugend in einer Militärakademie bis zur Verbannung in die Wüste Namib war jetzt alles drin. Ich hörte Schmitz sogar kurz ein wenig auflachen, wahrscheinlich war meinem Vater gerade etwas besonders Perfides eingefallen. Dann stand er langsam von dem Bürostühlchen auf und legte den Hörer beiseite, Giuseppe neben mir schnalzte mit seiner Zunge, es klang wie ein Peitschenschlag.
    »Dein Vater will dich sprechen«, knurrte Schmitz und deutete auf den Telefonhörer. Ich schaute ihn mit aufgerissenen Augen an, wahrscheinlich würde mein Vater mir jetzt eröffnen, dass ich nicht mehr heimkehren sollte, den Überschuss an Nahrung im Kühlschrank könnte man sicher auch an die Tafel geben und mein Zimmer untervermieten. Ich schleppte mich zum Tisch, setzte mich hin, langsam führte ich den Hörer an mein Ohr und traute mich kaum, »Hallo« zu sagen, also flüsterte ich nur ein ersticktes

Weitere Kostenlose Bücher