Lebenslänglich Klassenfahrt: Mehr vom Lehrerkind (German Edition)
Berge, nur Giuseppe erwachte aus seiner Lethargie, anscheinend war seine Wortkargheit doch nicht der fremden Sprache geschuldet.
»Chaaachachachachacha«, prustete unser bärtiger Skiliftbewacher und trommelte auf das Lenkrad.
»Nix Schnee in Küsche … chachachacha«, krähte Giuseppe, mit meinem öffentlichen Chauvinismus war ich gerade vom Stronzo zum Freund geworden, ich bekam einen Highfive, während ich in der Spiegelung des Seitenfensters Hannas Augen sehen konnte, die genervt in ihren Höhlen kreisten.
»Hihihi«, machte ich einen letzten Versuch, Hanna noch zum Mitlachen zu bewegen, der Humor von sechzehnjährigen Jungen und Mädchen schien nicht deckungsgleich zu sein. Ich verstummte.
Phantastisch, mit dem bärtigen Liftbremser war ich nun verbrüdert, doch Hanna, die neben mir saß, war weiter weg als je zuvor, dachte ich, während unser Laster langsam, aber stetig den Berg hochkroch.
Als Hanna und ich aus dem Wagen stiegen, rang sich mein Sportlehrer einen kurzen Moment der Erleichterung ab, ein dünnes Lächeln huschte über sein Gesicht, wahrscheinlich war er froh, meinen Eltern statt meiner Überreste die lebendigen 86 Kilogramm Basti überreichen zu können.
Kemal umarmte mich herzlich, und auch meine anderen Mitschüler schienen erleichtert, vielleicht auch weil Herr Schmitz nach meinem Verschwinden das Skifahren erst mal unterbrochen und somit noch ein paar andere Amateure vor dem Tod bewahrt hatte. Selbst die Fennermann-Zwillinge, die sonst das Emotionsspektrum eines Pantoffeltierchens besaßen, atmeten auf, erleichtert darüber, dass sie heute nicht mehr die Abfahrt hinuntergetrieben wurden.
»Wo sind deine Skier, Bielendorfer?«, fragte Schmitz nun doch wieder im schneidigen Ton eines Admirals – richtig, da war ja noch etwas. Die Skier waren nur eine Leihgabe der Schule, wahrscheinlich eine preiswerte Methode, überfüllte Klassenräume auszudünnen.
»Ähm, weiß nicht …«, war mein genialer Versuch, die Erklärung zu vermeiden, dass diese jetzt irgendwo im Tiefschnee 1000 Meter unter uns lagen.
»Dafür wird dein Vater aufkommen müssen«, motzte Schmitz und ging mit strammen Schritten in unsere Herberge.
Bei der Subventionspolitik meines Vaters war es wahrscheinlich eine gute Idee, heute Nacht den Berghang nach den verdammten Dingern abzusuchen.
Der Froschzauber
Hochbetten sind eine Erfindung von Sadisten. Ein platzsparendes System zum Schlafen zu entwickeln, ist nichts Verwerfliches, wenn es allerdings gegen alle internationalen Sicherheitsvorschriften verstößt, müsste man eigentlich irgendwann auf die Idee gekommen sein, es zu verbieten. Jeder Mensch, dessen Körper jenseits der Idealmaße angelegt ist, kann in Hochbetten nicht schlafen. Sei es zum einen, weil sie so schmal sind, dass man in ihnen wie Dracula im Sperrholzsarg liegt, zum anderen, dass entweder die Zimmerdecke oder der Hintern des Bettnachbarn so nah über einem schweben, dass selbst Maulwürfe klaustrophobische Schübe bekommen würden.
Ich schlief oben, unter mir konnte ich Kemal selig schnarchen hören, fahles Mondlicht fiel an die Wand und machte aus ein paar Tannenzweigen gruselige Schattenspiele. Rene Maurer glänzte durch Abwesenheit, er hatte sich schon vor einer Stunde auf Einladung hin ins Mädchenzimmer geschlichen, dieser Drecksack. Kemal schien dies nicht allzu viele Sorgen zu bereiten, er sägte selig ganze Tannenwälder nieder, während mir Gedanken wie Güterzüge durch den Kopf schossen. Erst Hanna und Patrick und jetzt Hanna und Rene, irgendwie hatten meine Reisebemühungen außer peinlichen Unfällen und exorbitanten Herzschmerzen bisher nicht viel gebracht. Frustriert sprang ich vom Hochbett und weckte Kemal.
»Wasn«, maulte er und drehte sich von einer Seite auf die andere.
»Schläfst du schon?«, fragte ich so laut, dass die Antwort darauf nur »Nein« lauten konnte.
»Boah … Schnauze«, murrte Kemal.
»Kann nicht schlafen«, sagte ich.
»Spannend«, erwiderte Kemal genervt. Ein anregendes Gespräch war wohl heute nicht mehr zu erwarten.
Plötzlich sprang die Tür auf, ein leicht schielender Rene schaute durch die spaltweite Öffnung und nuschelte etwas von »Wollta nich rüberkommn, die Mädels ham gefra…«. Noch bevor er den Satz beenden konnte, war ich bereits an ihm vorbeigerannt, selbst Kemal schien die Einladung zu gefallen, und er schälte sich noch mal aus den Federn, behielt dabei aber seinen fragwürdig engen Schlafanzug an.
Als wir den Raum betraten, hatte
Weitere Kostenlose Bücher