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Lebenslänglich Klassenfahrt: Mehr vom Lehrerkind (German Edition)

Lebenslänglich Klassenfahrt: Mehr vom Lehrerkind (German Edition)

Titel: Lebenslänglich Klassenfahrt: Mehr vom Lehrerkind (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastian Bielendorfer
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die kalte Bergluft quoll.
    Ich stapfte in Richtung Ortschaft, allein der Gedanke, in diesem Aufzug vor dem hämisch grinsenden Herrn Schmitz zu stehen, trieb mich den Berg hinab.
    Als ich an der ersten Straße ankam, blieb ich stehen und orientierte mich. Auf der Bergspitze konnte ich unsere Jugendherberge stecknadelgroß erkennen, wahrscheinlich telefonierte Schmitz gerade mit meinen Eltern und teilte ihnen mit, dass sie sich einen neuen dicken Sohn suchen müssten.
    »Huuuup Huuuup HUUUUUP«, trötete mich das dröhnende Signalhorn eines alten roten Lasters an, der sich gerade den Berg hinabquälte. Der Fahrer schien nicht die Absicht zu haben, anzuhalten, vielmehr versuchte er wohl, mich mit Schallwellen von der Straße zu schieben. Ich sprang zur Seite und landete wieder im graubraunen Schneematsch, der sich abseits der Straße aufgeschichtet hatte.
    Die Bremsleuchten des Wagens blinkten auf, er hielt an – leider zwanzig Meter zu spät, um mich als Blutfleck in den Asphalt zu hämmern. Wurde Südländern nicht eine latente Homophobie nachgesagt? Hoffentlich stieg jetzt nicht ein hutzeliger Opa mit Gamsbart und Flinte aus, um mich behelmten Exhibitionisten von seinem Bergkamm zu knallen. Ich starrte in den blauen Himmel über mir und in die Pfütze aus Schneematsch neben mir. Vielleicht bemerkte mich der Mann ja gar nicht, wenn ich einfach hier liegen blieb und mich tot stellte. Nur ein weiterer erfrorener Deutscher im Karnevalskostüm, der versucht hatte, den Berg zu besteigen, und nun irgendwo am Straßenrand festgefroren war. Ich dachte an eine Dokumentation über den Mount Everest, die ich kürzlich gesehen hatte, zahllose Tote lagen da auf dem Weg zum Gipfel, auf ewig zu Eis erstarrt, weil man sie in der Höhe nicht bergen konnte. Die anderen Bergsteiger mussten auf ihrem Weg in die Höhe an diesen Eismumien vorbei, die wie fleischgewordene Warnschilder jeden zum Umdrehen aufforderten. Vielleicht war ich das auch bald, ein fleischgewordenes Warnschild, wie man es besser nicht macht, wie man das Mädchen nicht kriegt, wie man nicht Ski fährt, wie man den Erfolg zu seinem persönlichen Feind erklärt.
    »Basti?«, fragte das Männlein in einer vertraut hellen Stimmlage. Woher nur kannte der Lasterfahrer meinen Namen? Plötzlich tauchte Hanna Sommers Lächeln über mir auf, 32 Elfenbeinzähne, die in einem rosa Plüschbett aus Zahnfleisch lagen. Ich riss die Augen auf, ich musste tot sein, war das eine Erscheinung? So schnell konnte man doch eigentlich nicht erfrieren.
    Dann tauchte neben ihr der ganz und gar weltliche Giuseppe auf und brüllte: »Stroonzoo!« Kopfschüttelnd schaute er mich an. Verachtung war auch ohne gemeinsame Sprache leicht zu vermitteln. Ich lag weiterhin wie eine Schildkröte auf dem Rücken im Matsch und versuchte zu wirken, als hätte ich alles unter Kontrolle.
    »Mensch, wir dachten schon, dir wäre was passiert«, sagte Hanna. Hörte ich da Erleichterung aus ihrer Stimme?
    »Ach Quatsch, alles kein Problem«, versuchte ich selbstbewusst den Umstand zu verschleiern, dass meine Kleidung nur noch in Fetzen hing und ich mich vor ein paar Minuten im Straßengraben noch der kalten Umarmung des Erfrierungstods ergeben wollte.
    »Die Piste war doch pipi, ich dachte, ich schau mal, was da noch kommt«, log ich und zog den Bauch ein, der trotz des Versuchs wie ein stummer Vorwurf unschön aus dem Riss an meinem Anzug quoll.
    Hanna Sommer war wahrhaftig zu meiner Rettung angereist. Wenn man ihr dabei immer so nahe kam, würde ich mich ab jetzt halbtags auf die Autobahn schmeißen.
    Ich rappelte mich mit Giuseppes Hilfe aus meinem Schneeverlies und kletterte mit Hanna auf die Vorderbank des Kleinlasters.
    »Witzig sein«, hatte mein Vater gesagt, mit Witz könne man bei Frauen mehr erreichen als mit gutem Aussehen. Komisch, dass die meisten Supermodels dann nicht mit Clowns verbandelt waren!
    »Ey, hört mal, warum können Frauen nicht Ski fahren?«, schoss also der erste Witz über meine Lippen, der mir einfiel, nachdem Giuseppe den stotternden Motor in Gang gebracht hatte. Kemal hatte ihn auf der Busfahrt erzählt, eine Kolumne in der Emma kam für ihn danach wohl nicht mehr infrage.
    Giuseppe schniefte einmal, Hanna schaute mich erwartungsvoll an.
    »Weil es in der Küche nicht schneit!«, polterte ich siegessicher und schaute meine Beifahrer an. Volltreffer, Hanna guckte mich an, als hätte sie Klebstoff geschnüffelt, beschämt wandte sie sich ab und schaute aus dem Fenster auf die

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