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Lebenslänglich Klassenfahrt: Mehr vom Lehrerkind (German Edition)

Lebenslänglich Klassenfahrt: Mehr vom Lehrerkind (German Edition)

Titel: Lebenslänglich Klassenfahrt: Mehr vom Lehrerkind (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastian Bielendorfer
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nicht mal mithilfe eines Polizeiräumkommandos aus der Schule zu vertreiben war, ziemlich bewusst. Dementsprechend nahm sie den regelmäßigen Anschiss des Direktors, ihre Anwesenheitsrate sei mittlerweile kleiner als die Zahl von Ufosichtungen im Münsterland, mit Gleichmut hin.
Mittlerweile zirkulierten bei uns schon Sinnsprüche der Marke: »Bevor Frau Seckbach kommt, betritt der Mensch den Mars« oder »Bevor Frau Seckbach kommt, wird Schalke Meister«. Schon eine leichte Brise oder ein Donnergrollen in der Ferne konnte unsere Pädagogin so weit erschüttern, dass sie lieber daheim blieb. Daher war es auch mit unserer weiteren Einführung in die deutsche Sprache eher schlecht gestellt, manche meiner Mitschüler schöpften ihren Wortschatz eigentlich schon beim mehrmaligen Anhören einer Bushido-CD komplett aus.
Das Fach Deutsch war ein besonders frustrierender Zweig in der nicht gerade frustrationsarmen Umgebung Schule, denn Deutschlehrer zu sein, hieß einerseits, die fehlende Alphabetisierung der meisten Kinder persönlich nachholen zu dürfen, und andererseits, den immer gleichen Lehrplänen unterworfen zu sein. Mein Vater konnte den »Faust« mittlerweile im Schlaf rückwärts pfeifen, trotzdem blieb er in seinen Oberstufenklassen von Goethes Jahrtausendwerk nicht verschont, weil es ja zum Curriculum gehörte. Frau Seckbach war in diesem Spagat irgendwann weggesackt wie die Beliebtheitswerte von Heidi Klum, sie hatte die immerwährende Wiederholung und Monotonie ihrer Aufgabe nicht verkraftet.
Doch eines Tages, vor dem Fenster unseres Klassenzimmers waren gerade ein paar sanfte Schneeflöckchen aufgetaucht und hatten damit Frau Seckbachs Erscheinen geradezu unmöglich gemacht, sprang unsere Klassentür auf, als hätte man sie mit einer Panzerfaust gesprengt. Die Panzerfaust hieß Konrad Wolke, war ein rundlicher Mann mittleren Alters mit Wangenbart und Ebby-Thust-Gedächtnisbrille, der so voller Kraft war, dass die Luft um seine braune Wildlederjacke zu flirren schien. Wir erwachten nur langsam aus unserer Lethargie. Im Gegensatz zur lange verschollenen Frau Seckbach, die sich sonst wie ein phlegmatischer Teichmolch ans Lehrerpult schleppte, hechtete Herr Wolke wie eine Urgewalt mit einem Ausfallschritt und einer sorgsam gepackten Ledertasche in der Armbeuge auf seinen Platz. Dann ertönte das erste Mal seine Stimme, irgendwo zwischen Pavarotti und einem Aalverkäufer auf dem Hamburger Fischmarkt, ein so einnehmendes Organ, dass den meisten das erste Mal an diesem Tag Blut ins Gehirn schoss und wir alle plötzlich senkrecht auf unseren Stühlen saßen.
Frau Seckbach sei längerfristig unabkömmlich, dementsprechend würde er jetzt den Laden übernehmen und alles erst mal auf Vordermann bringen. Heute würden wir uns mal an »Moby Dick« von Herman Melville wagen, wahre Weltliteratur, ein Buch wie ein Monument.
»Laaangweilig«, schnurrte Gökhan durch seine Zahnlücke, ein weiterer Pädagoge war zum Zermürbtwerden angetreten, zwei, drei Wochen, dann hätten wir auch aus ihm zielsicher jeden Funken Begeisterung gequetscht.
»Was soll denn bitte ›Laangweilig‹ heißen?«, fragte der Mann mit dem Stadionsprecherorgan verdutzt, auch Gökhan schaute nun etwas unsicher. Bei Frau Seckbach konnte man im Zweifelsfall in den Bücherschrank kacken, selbst das rang ihr höchstens ein müdes Heben der Augenbraue ab.
»Weiß nisch«, sagte Gökhan und zuckte mit den Schultern, seine Bewertung von »Moby Dick« war eher eine allgemeine Absage an jede Literatur, er schaute halt lieber Vin Diesel beim Weltenretten zu, als sich einen einbeinigen Irren beim Kampf mit einem kapitalen Meeressäuger vorzustellen.
»Wenn du es nicht weißt, dann musst du ja hier nicht das Maul aufreißen«, sagte Herr Wolke knochentrocken, aber bestimmt, Gökhan verstummte.
Dann begann unser neuer Deutschlehrer, aus dem Buch vorzutragen, und innerhalb weniger Sekunden füllte sich der Klassenraum mit Meerwasser, über uns peitschte ein unbarmherziger Sturm hinweg, in dem das Walfängerschiff
Pequod
dem weißen Wal nachjagte, während am Horizont schon die Ahnung einer Katastrophe dämmerte. Herr Wolke trug die paar Seiten mit solcher Inbrunst vor, als würde er auf der Bühne des Burgtheaters stehen, seine Hand formte in der Luft Wellen, stieß eine Harpune in die Fluten und erstarrte plötzlich, als Moby Dick sein schwarzes Auge auf Captain Ahab richtete. Die Schulklingel ertönte, Ende der Stunde.
Gökhan saß da, als hätte ihm jemand einen

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