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Lebenslänglich Klassenfahrt: Mehr vom Lehrerkind (German Edition)

Lebenslänglich Klassenfahrt: Mehr vom Lehrerkind (German Edition)

Titel: Lebenslänglich Klassenfahrt: Mehr vom Lehrerkind (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastian Bielendorfer
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veranstaltet wurde. Gökhan Mutlus Hand, die gerade die Klassenhefte von Marvin Petzokat in die Höhe warf, blieb in der Luft stehen, Patrick hielt seinen kippelnden Stuhl für einen Augenblick still, selbst Hanna Sommers Augen ruhten auf mir. Vielmehr auf meinem Arm, meinem Verband, dem bemalten Zeugnis meines Fernbleibens, das ich unter meiner Jacke zu verstecken versuchte. Also doch keine Läuse, schwebte als gemeinsame Gedankenblase im Raum. Unser Physiklehrer Herr Trottler räumte gerade seine Ledermappe aus, selbst er verharrte für den Bruchteil einer Sekunde und schaute mich durch seine dicke Brille ungläubig an.
    Ich ging, während die Welt langsam aus dem Stillstand in Zeitlupe wechselte, zu meinem Platz neben Patrick, zweite Reihe, vorne links.
    Patrick schlug mir kollegial auf den Rücken und durchbrach als Erster die Stille. »Sauber, da bist du ja wieder.« Ich lächelte verlegen, die Frage, was mit mir passiert war, lag unausgesprochen im Raum. Patrick schien bisher nichts erzählt zu haben, er wusste wohl, dass ich vor Scham im Boden versunken wäre, wenn Hanna Sommer gewusst hätte, dass ich ihretwegen meinen Schreibtisch rot gestrichen hatte. Ich hatte mir eine geniale Story ausgedacht, ich war Mountainbike gefahren und bei einem sehr gefährlichen Sprung gestürzt, alles nicht so schlimm, nur eine Fleischwunde, Indianer weinen nicht, keiner würde mir glauben.
    »Hey, was ist denn passiert, Basti?«, sagte eine Stimme rechts von mir. Mein Herz blieb stehen, langsam drehte ich meinen Kopf, Hanna Sommer hatte mich gerade angesprochen. Akuter Wortnotstand, ich war kein Indianer, meine Uroma kam aus Schlesien, was man über Schlesier sagte, wusste ich nicht, jedenfalls bestimmt nicht, dass sie nicht heulten.
    »Derbe Schlägerei, der andere sieht schlimmer aus, der sucht immer noch seine Zähne«, sprang mir Patrick bei, bevor ich von meinem blöden Mountainbike anfangen konnte.
    »Echt?«, fragte Hanna und schaute Patrick ungläubig an.
    »Klar, der Kerl ist ’n Samurai, zwei Schläge, Faustkoma, Feierabend!«, unterstrich Patrick die Lüge mit einem Ausrufezeichen. Gökhans Mund stand offen, zerkaute Reste eines Schokokussbrötchens lagen wie ein Autounfall auf seiner Zunge.
    »Kann ich auf deinen Verband schreiben?«, fragte Hanna und suchte mit ihren blauen Augen schon nach einer freien Stelle, irgendwo neben dem imaginären Timo und der inexistenten Katharina war noch ein Platz frei. Wortlos hielt ich ihr meinen Verband hin, während Patrick sich zurückhielt, die Sage um meine Heldentaten noch weiterzuspinnen. Ich war ja nicht Conan der Barbar, irgendwann schlägt jede Geschichte, so gut sie auch ist, um und wird zu dem, was sie eigentlich ist, eine Lüge.
    Nun las ich »Hanna« auf meinem weißen Verband. Es stand fest, ich würde das Ding nie wieder ausziehen, eines Tages würde nur noch eine zerfaserte Stoffbahn an meinem greisen Arm hängen, ein verblichener, grauer Beweis der Vergangenheit, für immer würde »Hanna« mich begleiten. Ich schaute Patrick an, er lächelte, ich lächelte.
    Im Kampf Basti gegen das Leben stand es 1:0, und die zweite Runde hatte gerade begonnen.

Der Deutschlehrer
»Es regnet, Entwarnung«, sagte Martin Siekmann und schloss knarzend das Fenster unseres Klassenraums. Ein paar kleine Tröpfchen perlten an der Scheibe ab, doch der leichte Nieselregen gab uns schon die nötige Gewissheit dafür, dass uns Frau Seckbach heute nicht beehren würde. Die Wahrscheinlichkeit ihres Erscheinens lag sowieso im unteren Promillebereich, wobei Frau Seckbach selbst wohl meist eher im oberen Promillebereich anzutreffen war. Unsere Deutschlehrerin erschien nur im Ausnahmefall – deuteten sich am Horizont Wolken an, stand der Mond ungünstig oder war der Luftdruck zu hoch, blieb sie lieber zu Hause und starrte ein wenig an die Leinentapete. Irgendwo in den letzten dreißig Jahren Schuldienst war Frau Seckbachs Enthusiasmus komplett verloren gegangen. Die dünne Frau mit der Angewohnheit, sich wie ein Medizinmann zu schminken, war langsam, aber sicher in den Mühlen des schulischen Systems zerrieben worden. Selbst die Tatsache, dass sie mittlerweile ihr gesamtes Blut durch Jakobs Krönung ersetzt hatte, steigerte das Aktionspotenzial unserer Lehrerin nicht, sie kam über Wochen einfach nicht zur Schule.
Doch Frau Seckbach hatte einen Fallschirm, und der hieß nicht etwa John Morgan oder Jim Beam, sondern Verbeamtung. Unsere Deutschlehrerin war sich der Tatsache, dass sie rechtlich

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