Lebenslänglich
sich vom Stuhl. «Setzen Sie sich», sagte Schyman.
«Nein», erwiderte sie laut und deutlich. «Ich gehe jetzt.» «In dem Fall haben wir ein noch viel größeres Problem, wir zwei.»
Er stand ebenfalls auf, einen Kopf größer als sie.
Sie hielt inne, die Hand auf der Türklinke.
«Ich habe gerade eben die Genehmigung des Vorstandsvorsitzenden bekommen, die gesamte Redaktion zu entlassen», sagte der Chefredakteur. «Anschließend kann ich wieder einstellen, wen ich will, und nicht, wen ich laut Sozialplan soll. Selbst wenn es bedeuten würde, dass die Zeitung eingestellt werden muss, werden wir das durchziehen. Wir haben nämlich keine andere Wahl. Den Betrieb so weiterzuführen wie bisher ist nur ein langsamerer Weg in denselben Abgrund.»
«Und wenn wir Protest einlegen?»
Er fixierte sie.
Alles aufeine Karte.
«Es gibt viele wichtige Aufgaben für Sie hier bei der Zeitung, Eva-Britt. Machen Sie sich durch einen solchen Streit nicht Ihre ganze Karriere kaputt.»
Sie schnappte nach Luft.
«Das ist eine Drohung.»
«Keineswegs», sagte Schyman und machte ein bestürztes Gesicht. «Mir geht es nur darum, Sie zu behalten, auch nach den Einsparungen. Wir brauchen erfahrene Organisationskräfte, und vergessen Sie nicht: Auch mein Platz ist nicht sicher.»
Er zog die Tür auf.
«Keiner von uns sitzt hier lebenslänglich.»
Draußen ging gerade Annika Bengtzon vorbei.
«Sie haben es also auch gehört?», fragte sie. «Das hätte man sich ja ausrechnen können, bei diesem Holzkopf von Verteidiger.»
«Was denn?», fragte Schyman.
«Sie ist die sechste Frau in Schweden, die lebenslänglich sitzen wird.»
«Wir machen das hier nicht mit», flüsterte die Betriebsratsvorsitzende und schien den Tränen nahe zu sein.
«Wir werden uns schon einigen», sagte er mit tiefer Stimme und lächelte verbindlich.
Auf dem Weg zu ihrem Platz am Reportertisch bemerkte Annika, dass Eva-Britt Qvist völlig verstört aussah. Sie packte ihren Laptop aus sowie alle Unterlagen und Ausdrucke zum Fall David Lindholm. Als Erstes schrieb sie unter der Überschrift «Angeklagte Polizistenfrau packt aus» das Interview mit Julia nieder. Julia hatte nicht besonders viel gesagt, Annika ließ den ganzen Teil aus, in dem Julia die andere Frau beschrieb.
Der Artikel wurde eher eine Schilderung der Zustände im Untersuchungsgefängnis und wie es Julia dort ergangen war, nichts Besonderes, aber auch nicht so schlecht.
Ihr war ein wenig flau. Sie ging zum Kaffeeautomaten und braute sich einen Becher mit schwarzem Tee. Dann schluckte sie ein paar Panodil und redete sich ein, dass ihre Übelkeit nichts mit dem bevorstehenden Abend zu tun hatte und auch nicht mit ihrer Einwilligung, sich in Sofia
Dumme Schlampe
Grenborgs Wohnung um die Kinder zu kümmern. Sie tat das für die Kinder, für Ellen und Kalle, denn sie brauchten sie und sehnten sich nach ihr.
Sie schüttelte den Gedanken an Thomas, Sofia und die Kinder ab.
Als der Artikel wohlbehalten im Kasten war, machte sie sich an die eigentliche Arbeit.
Frauen, die eine persönliche Beziehung zu David Lindholm gehabt hatten. Mit wem war er zusammen gewesen? Wo begeht man einen Seitensprung? Am Arbeitsplatz? In der Kneipe? In der Freizeit? Bei Freunden mit denselben Interessen?
Und wie sollte sie an Fotos kommen, selbst wenn es ihr gelang, eine Liste mit Namen aufzustellen?
Das Passregister war nicht mehr öffentlich zugänglich, das Führerscheinregister auch nicht. Es gab unzählige Fotos im Internet oder in allen möglichen Bildarchiven, aber dann musste sie die Identität der Frauen auf allen Fotos sicherstellen. Alles andere wäre Zeitvergeudung.
Na ja, das war erst mal nicht das Problem.
Die Kriterien waren eindeutig. Es dürfte nicht allzu viele Alternativen geben.
Es musste eine sein, die David gut kannte. Die eine sexuelle Beziehung mit ihm hatte.
Die Zugang zu seiner Wohnung hatte. Die kriminell und skrupellos genug war, um David zu töten, Julia in den Knast zu bringen und Alexander zu kidnappen.
Das ist ein Angriff auf die ganze Familie. Sie muss es schon geplant haben, als die Waffe plötzlich verschwand.
Die Frau musste irgendwie an den Schlüssel zur Wohnung in der Bondegatan gekommen sein und Julias Dienstpistole aus dem Waffenschrank im Schlafzimmer gestohlen haben, ohne sie anzufassen und ohne Julias Fingerabdrücke zu verwischen.
Das war ja eigentlich nicht so schwer.
Schnell breitete sie die Ausdrucke um sich herum aus, holte Block und Stift aus der Tasche
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