gehabt und muss ihn unbedingt sprechen, könnten Sie ihm das freundlicherweise ausrichten?
Wieso? Was ist denn so dringend?
Sie rief das Mailprogramm auf, klickte den Ordner «Gesendet» an und überflog die abgeschickten Mails. Die letzte war an
[email protected] gegangen und hatte den Betreff «Darling, du fehlst mir».
Sie schluckte und ließ den Blick weiterwandern.
Beinahe ganz unten auf der Seite sah sie es.
[email protected], der Betreff war « Memo randum».
Annika öffnete die Mail und den Dateianhang, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken.
Sie fröstelte, während sie las.
Thomas teilte dem Staatssekretär mit, dass die Direktive zu dem Gutachten, an dem er arbeitete, nicht zu befolgen sei. Es sei schlicht unmöglich.
Falls man die lebenslängliche Strafe abschaffte, würde das so hohe Kostensteigerungen für den Strafvollzug zur Folge haben, dass die langfristigen Budgetplanungen des Staatshaushalts neu verhandelt werden müssten.
Großer Gott! Das ist ja das reinste Dynamit!
Dann folgte eine detaillierte Darlegung der Auswirkungen, die zeitlich befristete Strafen auf das Budget der Justizvollzugsbehörde haben würden.
Sie ließ den Laptop an und ging zurück in den großen Wohnraum. Sie starrte nach oben, es war, als stünde man in einer Kirche.
Penthouse. Wie verschroben kann man eigentlich sein?
Sie sah auf die Uhr, die Opernliebhaber würden wohl bald zurück sein. Rastlos wanderte sie durchs Zimmer, verfolgt von ihren eigenen Schritten, vorüber an der Esstischgruppe und den stilisierten Sitzmöbeln, dann ging sie zurück ins Wohnzimmer.
Die Spätausgabe von
Rapport
würde in ein paar Minuten anfangen. Es gelang ihr gerade noch rechtzeitig, den Digitalreceiver anzuschalten und den richtigen Sender zu finden, als auch schon der Vorspann lief.
Das Urteil lebenslänglich für Julia Lindholm war der Aufmacher. Die Moderatorin des Nachrichtenjournals, eine junge Frau mit Grabesstimme, schaffte es, Julia in ihrer kurzen Anmoderation des Beitrags sowohl als «Doppelmörderin» wie auch als «Polizistenmörderin» zu bezeichnen.
Als Erste kam Staatsanwältin Angela Nilsson aus dem Gerichtssaal, raschen Schrittes und mit aufrechtem Gang, und die Kamera wackelte wie im schlimmsten Dogma-Film.
Nilsson erklärte, das Urteil sei zu erwarten gewesen und auch angemessen. Sie sah gleichermaßen zufrieden wie barsch aus.
«Das Gericht ist meinen Einschätzungen einstimmig gefolgt», sagte sie. «Deshalb denke ich, dass dieses Urteil korrekt begründet ist.»
Wäre ja auch merkwürdig, wenn nicht.
Das Gedränge im Amtsgericht in der Fleminggatan 14 schien chaotisch gewesen zu sein. Die Journalisten rempelten sich gegenseitig an, und Staatsanwältin Nilsson musste die Hand gegen die Kamerascheinwerfer erheben, um sehen zu können, wohin sie ging.
«Die überlegte Grausamkeit, die Julia Lindholm den Angehörigen gegenüber an den Tag gelegt hat, ist nicht mit Worten zu beschreiben», sagte sie und rauschte durch eine Sicherheitstür davon.
Was für Angehörige? Sie ist doch die Einzige, die noch übrig ist, sie und ihre Eltern.
Und Nina.
Dann kam der Verteidiger ins Bild, der junge Mats Lennström, die Locken steif vor Haargel und mit Schweißperlen auf der Stirn. Er schaffte es, sich so weit vorzubeugen, dass er mit der Nase an die Kamera stieß, woraufhin ein kleiner trüber Fleck auf der Linse zurückblieb.
«Ah, es war ja absehbar, dass das Urteil des Gerichts so ausfallen würde, da meine Mandantin nicht aus der Untersuchungshaft entlassen worden war», sagte er, und sein Blick irrte über den Journalistenpulk. «Aber ich teile die Auffassung des Gerichts bezüglich der Angemessenheit der Strafe nicht. Ich kann den Ausführungen des Gerichts bezüglich des Verbrechens gegen den Jungen, äh, Alexander, nicht folgen. Es ist eine Schwachstelle, dass wir immer noch nicht wissen, wie er getötet wurde.»
Annika setzte sich ärgerlich auf dem Sofa auf.
Woher weißt du, dass er tot ist?
«Werden Sie in Berufung gehen?», schrie ein Reporter.
«Ah, ich erwäge das, aber ich habe noch nicht mit meiner Mandantin sprechen können, deshalb kann ich dazu im Moment keine Stellungnahme abgeben …»
Mats Lennström stolperte weiter den Korridor entlang und verschwand hinter einer anderen Sicherheitstür.
Eine dritte Person tauchte im Gewühl auf, Polizeiprofes sor Lagerbäck, ein Kriminologe der eher populistischen Sorte, der das Urteil gegen Julia Lindholm rasch in drei