Lebenslänglich
Kleidungsstücke in den Wäschekorb und legten die sauberen ordentlich auf den Stuhl, sie zogen ihre Schlafanzüge an und suchten eine Gutenachtgeschichte aus, und dann packte Annika sie ganz dicht, dicht, dicht nebeneinander ins Bett und kuschelte. Ellen war ein bisschen widerspenstig, sie hatte tagsüber geschlafen und Mühe, zur Ruhe zu kommen. Annika legte sich neben sie in das schmale Bett und sang ihr etwas vor, bis sie einschlief. Sie strich ihr über den runden Kopf und die zarten Schultern. Schloss die Augen und sog den Duft von Ellens Haaren ein, spürte, wie sie in der Nase kitzelten.
Du bist ein kleines Wunder.
Vorsichtig machte sie sich los von dem bettwarmen Körper des Mädchens und stand auf. Sie betrachtete ihre Tochter. Mit ihren blonden Haaren und blauen Augen wurde sie Thomas immer ähnlicher. Annika fühlte, wie sich Beklemmung in ihr breitmachte, sie drehte sich um und ging in die kühle Wohnung. Sie fröstelte und wünschte, sie hätte ihre Strickjacke mitgenommen.
Es war nicht nur kalt in der Wohnung, es zog auch irgendwoher, und die nüchterne Einrichtung verstärkte das Gefühl von Kälte. Alles war weiß, bis auf die Ledermöbel, die waren schwarz, und der Tisch schimmerte in Chrom und Glas.
Die Kinder hatten zwei nebeneinanderliegende winzige Zimmerchen in der hinteren Ecke des Ateliers. Es war gerade mal Platz für ein Bett und ein kleines Regal mit ein paar Spielsachen; die Wände waren kahl, es lag kein Teppich auf dem Fußboden, und es gab keine Vorhänge und keinen Bettüberwurf.
Ich suche bloß etwas zum Meckern. Die Kinder leiden keine Not. Solange Thomas sich um sie kümmert, werden sie es gut haben.
Sie hätte nie gedacht, dass sie sich einmal scheiden lassen würden. Sie war so naiv gewesen, sich einzubilden, dass Liebe allein reichte: Wenn sie nur stark genug liebte, würde alles gut werden, ungefähr so wie in den Gutenachtgeschichten.
Ich habe vergessen, mit ihm zu leben, und jetzt ist es zu spät.
Sie schaute zu Kalle hinein, deckte ihn gut zu und hob Chicken auf, der auf den Boden gefallen war. Dann ging sie zu dem Zimmer hinter der Küche und setzte sich an Thomas' Laptop. Er hatte weder den Benutzernamen noch das Passwort geändert, benutzte für beides seinen Vornamen. Der Internetanschluss war ebenso schnell wie der in der Redaktion.
Sie rief die Seite von infotorg.se auf und tippte Lena Yvonne Nordins Personendaten in das Suchfeld des Staatlichen Personen- und Adressregisters. Nordin, Rufname Lena, zweiter Vorname Yvonne, war zweiundvierzig Jahre alt und mit einer Postfachadresse in Skärholmen gemeldet. Laut älteren Eintragungen hatte sie früher in Uppsala gewohnt. In der Rubrik «Personenstand» war vermerkt, dass sie seit zehn Jahren verwitwet war. Annika suchte nach «Nordin» ohne Geschlechts- und Altersangabe, jedoch mit derselben Postfachadresse, um zu sehen, ob sie Kinder hatte.
Keine. Jedenfalls keine mit dem Nachnamen Nordin.
Sie entdeckte keinen Drucker im Arbeitszimmer. Also ging sie in die Diele, holte Block und Stift aus ihrer Tasche und notierte sich die Angaben von Hand. Dann öffnete sie ein neues Browserfenster und prüfte das Naheliegendste: ob sie Festnetz- oder Mobiltelefon hatte. Von Boden im Norden bis Simrishamn im Süden gab es neunundvierzig Einträge auf den Namen Yvonne Nordin, aber keinen in Skärholmen oder Uppsala. Lena Yvonne Nordin ergab einen Treffer, in Uddevalla, aber die Frau hieß mit drittem Vornamen Mari, also konnte sie es kaum sein.
Anschließend loggte sie sich ins Grundbuchamt ein und suchte nach Einträgen von Immobilien oder Grundstücken, in denen Lena Yvonne Nordins Personennummer auftauchte.
Nichts.
Annika rief die Datenbank des Kraftfahrzeugregisters auf.
Ebenfalls kein Ergebnis.
Sie biss sich auf die Unterlippe.
Firmen, sie hat doch Firmen gehabt…
Sie loggte sich ins Handelsregister ein und klickte die Gesellschaften an, in denen Lena Yvonne Nordin vorkam. Nur noch die Advice Investment Management A B war aktiv, die Firma, bei der David Lindholm zur Geschäftsführung gehört hatte. Die beiden anderen Firmen waren erloschen.
Hier tauchte plötzlich ein anderer Name auf, den Annika schon gesehen, aber nicht überprüft hatte: Niklas Ernesto Zarco Martinez, auch er in Skärholmen gemeldet.
In einem neuen Fenster recherchierte sie seine Personenangaben.
Person verstorben.
Annika blinzelte überrascht.
Niklas Ernesto Zarco Martinez, fünfunddreißig Jahre alt, war am Heiligabend vergangenen Jahres
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